Textatelier
BLOG vom: 13.09.2005

Kerala: Hotels, die wissen, worauf es ankommt

Autorin: Margri Haller-Bernhard

Von Oktober bis Dezember 2004 führten die Studenten der Handelshochschule St. Gallen unter der Leitung von Dr. Jost Hamschmidt eine Untersuchung durch, um den Markt für Solarenergie im nachhaltigen Tourismus zu analysieren. Dies auf Anregung der Firma Ernst Schweizer AG, Metallbau und innovativer Anbieter von Fassadenelementen mit besonderer Kompetenz im Bereich Sonnenenergie in Hedingen ZH. Im Vordergrund stand dabei die thermische Nutzung der Sonnenenergie (solare Warmwassererzeugung). Die Ergebnisse sind ernüchternd: Auf Campingplätzen ist die Solarenergie kaum vorhanden. Während Pionier-Hotels mit einer starken Öko-Positionierung die Sonnenenergie bereits für die Wassererwärmung nutzen, lehnen andere Hotels diese Energiegewinnung völlig ab mit der Begründung, sie sei zu teuer und uneffizient. Eine 3. Gruppe ist zwar an Solarenergie interessiert, kann sie sich aber aus finanziellen Gründen und mangels staatlicher Unterstützung nicht leisten.

Anfangs dieses Jahr lernte ich auf einer Indienreise im Staat Kerala 2 Hotels kennen, die zu der Gruppe „cgh earth“ (Erde) gehören. Das eine Hotel, „Coconut Lagoon“, befindet sich in den „Backwaters“ und erinnert mit seinen Kanälen und den darüber führenden kleinen Brücken an Venedig, das andere, „Marari Beach“, liegt am Meer. Hier sind die Gäste in Bungalows untergebracht, die als Vorbild die umliegenden Fischerhütten haben, mit Palmblättern bedeckt sind und malerisch im Kokoshain verstreut stehen. Was mich erstaunte, sind die Bemühungen der Hotels, der Bezeichnung „earth“ gerecht zu werden. Alte, wunderschöne Kerala-Holzhäuser wurden gerettet, indem man sie abbrach und am Rande der Lagunen im „Coconut Lagoon“ als Gästebungalows wieder aufbaute. Das in beiden Hotels gereinigte Abwasser dient der Bewässerung der natürlichen Anlagen, während der Rest in die Lagunen respektive ins Meer fliesst. Zudem wird der Gast gebeten, mit dem kostbaren Wasser haushälterisch umzugehen.

Im Hotelzimmer erwartet mich ein schmales Informationsheft mit erstaunlichem Text. Da heisst es beispielsweise: „Wir haben unser Bestes getan, um die Umwelt zu schützen, die uns so viel von sich gegeben hat. Wir versuchten, uns in Harmonie mit der Natur einzurichten. Zu Plastik sagen wir „nein“ und wo immer möglich setzen wir biologisch abbaubare und umweltfreundliche Ersatzstoffe ein, von denen uns eine grosse Auswahl zur Verfügung steht. Wir besitzen eine leistungsfähige Kläranlage, die keine schädlichen Abwässer ins Meer leitet, und wenn Sie uns dabei helfen, können wir auch den Strand sauber und frei von Unrat halten.“

Im Zimmer finde ich einen Wasserkessel mit Kaffee- und Teebeuteln, damit sich der Gast selber eine Erfrischung brauen kann, und Bett- und Badewäsche wird nur dann gewechselt, wenn es der Gast wünscht. Zu meinem Erstaunen fehlt der Fernseher; doch entdecke ich den Hinweis, dass für Gäste, die ihn vermissen, ein Fernsehzimmer zur Verfügung steht. Man wird auch ersucht, den Hotelangestellten kein Trinkgeld zu geben, den Einheimischen und ihrer Kultur mit Respekt zu begegnen, sie nicht mit westlichem Krimskrams zu beschenken und sich weder im Badeanzug noch in zu leichter Bekleidung unter sie zu mischen.

Die ausgezeichneten Mahlzeiten im Restaurant bestehen aus einheimischen Produkten und die Angestellten begegnen den Gästen mit natürlicher Freundlichkeit. Zum Thema Mahlzeiten entnehme ich der Informationsbroschüre: „Wir raten Ihnen, Ihre Mahlzeiten im Restaurant einzunehmen, denn sie sollten heiss gegessen werden. Es ist uns beim besten Willen nicht möglich, sie Ihnen in Ihr Ferienhaus zu liefern, ohne dass das Aroma und das schlichte Erlebnis des dampfenden Tellers darunter leiden. Übrigens werden Kaffee und Tee im Restaurant kostenlos serviert.“

Wer sich sportlich betätigen will, wird auf das Fahrrad, den Tennisplatz oder die einfache Volleyball-Einrichtung am Strand verwiesen. „Wünschen Sie sich faule, entspannte Ferien, so wählen Sie einfach eine unserer Hängematten im grünen Palmenhain und machen Sie ein Nickerchen oder träumen Sie. Die Atmosphäre macht es Ihnen leicht“, heisst es in der Gästeinformation. Und um die Entspannung noch zu vertiefen, steht die uralte indische Heilkunst Ayurveda dem Gast in einem speziellen Gebäude zur Verfügung.

Im Kleiderschrank entdecke ich eine Baumwolltasche mit der aufgedruckten Frage: „Wissen Sie, wie lange es geht, bis die Natur eines der folgenden Dinge abgebaut hat?“ Darunter lautet die Antwort: Bananenschale 3–4 Wochen, Papiersack 1 Monat, Plastiksack 1 Million Jahre, Baumwollsack 5 Monate, Wollsocke 1 Jahr, Aluminium 200–500 Jahre, Lederschuhe 40–50 Jahre, Glasflasche unbekannt, Styropor eine Ewigkeit, Holz 10–15 Jahre. Im kleinen Hotelladen, wo einheimisches Handwerk zu bescheidenen Preisen angeboten wird, steckt die Verkäuferin die erworbenen Gegenstände in eine Tragtasche aus Zeitungspapier. Dabei kommt mir unwillkürlich unsere Kehrichtsammelstelle in Rothrist AG in den Sinn, wo sich an 2 Wochentagen ein Eisenbahnwagen mit Zeitungsbündeln füllt. Davon liessen sich unzählige solcher handlicher und solider Papiertragtaschen herstellen.

Sicher sind die umweltbewussten „earth-Hotels“ in Kerala auch in Indien eine Ausnahme. Doch sie sind für mich ein wohltuendes Gegenteil vom europäischen Wellness-Rummel und ein Beispiel echter Gastfreundschaft verbunden mit dem Respekt vor der Erde und ihren endlichen Ressourcen.

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