Textatelier
BLOG vom: 20.01.2007

Schlampige US-Ärzte, fragwürdiges Vorsorge-Untersuchen

Autor: Heinz Scholz, Schopfheim D
 
Es gibt eine Unzahl von Ärzten, die eine miese Klaue haben: Sie schreiben Rezepte aus, die manchmal kein Apotheker lesen kann. Dann muss der Apotheker entweder beim Patienten nachfragen, welches Medikament er bisher verordnet bekommen hat oder er ruft den Arzt an und bittet um Entzifferung seiner Hieroglyphen. Ein mir bekannter Apotheker sagte einmal: „Schon wieder ein Rezept vom Arzt mit der Sauklaue. Die Schrift hätte nicht einmal Herr Champollion entziffern können.“
 
Jean-Francois Champollion (1790–1832) gelang übrigens anhand des Steins von Rosetta 1822 erstmals die Entzifferung ägyptischer Hieroglyphen.
 
7000 Tote durch unleserliche Rezepte
Man kann es kaum glauben, dass schlampige US-Ärzte Schuld an vielen Todesfällen sein sollen. Nach Berechnungen des Institute of Medicine der National Academies of Science sterben jährlich 7000 Patienten wegen unleserlich ausgestellter Rezepte. Die Zahl beruht auf Berechnungen. Sie kommt mir recht hoch vor. Aber wer weiss?
 
Damit aber noch nicht genug: Durch falsch eingesetzte Medikamente sollen 1,5 Millionen US-Bürger betroffen sein. Die Behandlung der Falschtherapierten verursachte Krankenhauskosten in Höhe von 3,5 Milliarden USD.
 
Wie Heike Le Ker in „Spiegel online“ am 17. Januar 2007 berichtete, gibt es auch bei uns noch viele Ärzte, die Rezepte handschriftlich ausfüllen und den Computer meiden. Kritisch wird es bei Hausbesuchen. So erhielt ein 66-jähriger Patient anlässlich eines Hausbesuchs ein völlig unleserliches Rezept. Der Doktor verschrieb ihm Mevinacor, ein Mittel zur Cholesterinsenkung. In der Apotheke bekam er jedoch den Blutverdünner Marcumar. Der Mann hatte Glück, denn er bemerkte den Fehler selbst. Es gibt offenbar noch Patienten, die den Beipackzettel lesen.
 
Ein Web-basierter Dienst (eRx Now) soll nun den US-Ärzten unter die Arme greifen. In Zukunft sollen elektronische Rezepte ausgestellt werden. Die Ärzte scheinen auch auf Kriegsfuss mit Computer und dem Internet zu stehen. Laut Umfrage haben 90 % der Ärzte Zugang zum Internet, aber nur 10 % nutzen bisher den Computer, um Rezepte leserlich auszudrucken.
 
Viagra statt Anti-Raucher-Pillen
Stellen Sie sich einmal Folgendes vor: Sie wollen mit dem Rauchen aufhören. Sie gehen zum Arzt und lassen sich ein entsprechendes Mittel verschreiben, um von dieser Sucht leichter wegzukommen. Sie erhalten ein Rezept, gehen erwartungsvoll in die nächste Apotheke und bekommen blaue Tabletten. Sie wundern sich dann, dass ihre Rauchgelüste nicht verschwinden, aber ihre Sexgelüste in ungeahnte Höhen steigen.
 
Sie haben schon erkannt, um welche Arznei es sich hier handelte. Es waren Viagra-Tabletten, die Sie bekommen haben.
 
Solch eine Verwechslung ist wirklich passiert. 2 Arztpraxen in Glasgow GB verschrieben versehentlich ihren Patienten Viagra anstelle von Zyban. Angeblich sorgte ein Computerprogramm für diesen eklatanten Fehler. Erst als einige Raucher reklamierten, flog der Fehler auf.
 
Kommentare dazu
Unter www.jeder-fehler-zaehlt.de wurden einige Kommentare zu den unleserlichen Rezepten abgedruckt. Ein Nutzer schrieb: „Leider besitze ich auch eine Sauklaue, die mich mitunter um ein Haar die Approbation gekostet hätte. Ich habe nun beschlossen, meine Arzthelferinnen zu bevollmächtigen, die Rezepte auszustellen.“
 
Ein anderer kommentierte wie folgt: „Am besten man schreibt gar keine Rezepte mehr, dies ist eh bei Sparzwang und Budgetierung der billigste und beste Weg.“
 
Ein Apotheker ging ganz scharf mit den Ärzten ins Gericht: „Häufiger Kommentar von Ärzten, wenn man sie wegen der unleserlichen Schrift anruft: ,Ich kann schreiben, lernen Sie lesen.’ Arroganz nützt niemandem etwas!“
 
In Deutschland wird demnächst von den Krankenkassen die elektronische Gesundheitskarte eingeführt. Sie enthält die Basisdaten der Versicherten. Auf Wunsch werden auch Notfalldaten aufgenommen, wie z. B. Krankheiten, Allergien, Blutgruppe, Herzerkrankungen, Dialyse. Es können aber auch elektronische Rezepte gespeichert werden. Der Patient geht dann zum Apotheker, der dann das Rezept mittels Computer lesen kann. Somit entfallen dann Millionen von Papierrezepten pro Jahr. Dann kann man die Unleserlichkeiten des Arzts vergessen. Oder dann sorgen Computerfehler für Irritationen.
 
Umstrittene Vorsorgeuntersuchungen
Wie Birgitta Lehn in der Zeitung „Die Welt“ am 18.01.2007 berichtete, sind bis zu 50 % der Diagnosen nach Vorsorge-Untersuchungen falsch. Kaum zu glauben: Die Bundesregierung will Menschen, die nicht zu Vorbeugeuntersuchungen gehen, dennoch bestrafen. Sie sollen bei Erkrankung für Medikamente mehr bezahlen.
 
Diese Regelung wird besonders vom Deutschen Netzwerk Evidenzbasierte Medizin e.V. kritisiert. Der Sprecher dieses Netzwerks, Prof. Dr. Davin Klemperer, sagte dazu Folgendes: „Die Wahrscheinlichkeit, von der Früherkennung zu profitieren, ist gering. So erspart die Teilnahme am Früherkennungsprogramm für Brustkrebs innerhalb von 10 Jahren etwa einer von 1000 Frauen den Tod an Brustkrebs. Mit einem Verdachtsbefund müssen innerhalb von 10 Jahren jedoch 200 Frauen rechnen.“
 
Der genannte Professor bezeichnete diese Diagnosen als Überdiagnosen. Werden nämlich ungefährliche Tumore als gefährlich beurteilt, kann es zu einer riskanten Übertherapie, Bestrahlung, Chemotherapie und bis zur Operation kommen. Auf 10 gefundene Tumore kommen eine bis 5 solcher Überdiagnosen. „Es gibt auch keine ausreichende Nachweise dafür, dass die Teilnahme an einem Krebsfrüherkennungsprogramm Kosten einspart“, so Prof. Klemperer.
 
Inzwischen geraten auch andere Vorsorgeuntersuchungen in die Kritik, wie zum Beispiel die Ermittlung des PSA-Wertes bei Prostataerkrankungen. Männer, die diesen Test zur Früherkennung von Prostatakrebs nutzen, haben keinen Überlebensvorteil. Entzündungen der Prostata oder lange Fahrradtouren erhöhen den PSA-Wert ebenfalls. Dazu der Präventionsexperte Bernd Metzinger in der Online-Ausgabe des „focus“ (www.focus.de): „Mittels PSA-Test werden auch kleine, langsam wachsende Tumore entdeckt, die dem Betreffenden nie Probleme bereitet hätten.“
 
Wie eine Augenärztin untersuchen wollte
Es gibt Ärzte, die Untersuchungen mit ihren teuren Geräten durchführen wollen, auch wenn dies medizinisch nicht notwendig ist. Dazu ein Beispiel:
 
Eine mir bekannte ältere Journalistin, die nicht genannt werden möchte, ging zum Augenarzt, um sich den Augeninnendruck messen zu lassen. Sie hatte kürzlich eine Bindehautentzündung und ein Druckgefühl in beiden Augen. Zunächst wurde der Augeninnendruck bei einem Augenarzt gemessen. Er betrug um 25 mm Hg (zwischen 8 und 20 gilt er als normal). Der Arzt sagte, sie müsse aufpassen, dass sie keinen Grünen Star (Glaukom) bekomme. Wenn sie nichts unternehme, werde sie blind werden. Er verordnete ihr Tropfen, die sie dann auch einträufelte. Aber sie vertrug die Tropfen nicht und bekam eine Rötung im Auge und Sehbeschwerden, wohl durch das in den Augentropfen enthaltene Konservierungsmittel.
 
Sie setzte die Tropfen ab und ging zur besten Augenärztin ihrer Stadt. Dort wurde der Augeninnendruck erneut gemessen. Er betrug jetzt unter 20 mm Hg. Es war also alles in Ordnung. Auch die Untersuchung des Augenhintergrundes (Sehnerv) ergab keinen Hinweis auf eine Schädigung. Dann schlug die Ärztin eine Computertomographie vor, um den Sehnerv näher zu untersuchen. Die Kosten einer solchen Untersuchung würden sich auf einige Tausend Euro belaufen. Die Journalistin ist zwar Privatpatientin, lehnte aber die Untersuchung ab und verschwand auf Nimmerwiedersehen aus der Praxis. „Die wollte ihre teuren Geräte durch solche unnötigen Untersuchungen amortisieren“, bemerkte die verärgerte Patientin zu mir am Telefon.
 
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