Textatelier
BLOG vom: 16.02.2010

Sammelgebiete: Bronze-Medaillen und Plaketten

Autor: Emil Baschnonga, Aphoristiker und Schriftsteller, London
 
Gestern habe ich endlich meine Sammlung gesichtet und eine Übersicht („catalogue raisonné“) über dieses bisher vernachlässigte Sammelgebiet erstellt.
 
Damit meine ich nicht die von Baslern beliebten und gesammelten Fasnachtsplaketten. Ich habe von diesen nur eine, die mir ausnehmend gut gefällt, nämlich jene mit dem „Lällekönig“, von Huegenin in Le Locle geschaffen.
 
Ich bin ein ausgesprochener Liebhaber dieser kleinen Kunstwerke, besonders aus der Art-Nouveau- und Art-Déco-Zeit, worunter jene belgischer und französischer Provenienz. Diese Medaillen und Plaketten sind als eigenständige Kunstform den „Beaux-Arts“ (den Schönen Künsten) zugeordnet und stammen von anerkannten Meistern dieser Kleinkunst, worunter auch viele namhafte Bildhauer, wie etwa Paul Dubois.
 
Viele dieser Medaillen und Plaketten wurden zur Erinnerung an die vielen Weltausstellungen um 1900 geschaffen. Ein Glanzbeispiel aus dieser Zeit in meiner Sammlung ist die im hohen Relief gestaltete Medaille für die „Exposition Internationale“ in Brüssel von 1897, vom führenden Juwelierhaus Wolfers in Brüssel ausgeführt. Der Entwurf stammt von Jules Lague, 1862 geboren, Medailleur und Bildhauer, Schüler von Van der Stappen und Lambeau – alle Schrittmacher von vielen Meisterwerken des Jugendstils. (Dieses Fundstück ergatterte ich vor vielen Jahren auf dem Brüsseler Flohmarkt in der Nähe des Gare du Nord.)
 
Aus der Art-Déco-Periode erwähne ich die vergoldete Plakette (3,2 × 10 cm), für die Pariser Weltausstellung von 1925 geprägt. Die nackte Frauenfigur sprang mir auf dem Basler Flohmarkt ins Auge … als ich in einer Schachtel voller Krimskrams wühlte. Ihr Medailleur war Pierre Turin, der 1920 mit dem Rompreis ausgezeichnet wurde. Er studierte an der Ecole des Beaux-Arts in Paris und gehörte zu den Schülern von Coutan, Vernon und Roty.
 
Ehe ich den hohen Stellenwert der Schweizer Medailleure hervorhebe, möchte ich noch einige meiner Fundstücke vorstellen, die mich thematisch entzücken, worunter:
die Plakette, 4 × 7 cm, betitelt ETUDE“ von B. Moira: Ein Mädchen mit langen Zöpfen, im Profil dargestellt, ist in die Lektüre eines Buchs vertieft.
 
Eine dunkel patinierte Medaille, Diameter 7,5cm, betitelt „L’EFFORT“, zeigt einen Jüngling, der mit aller Muskelkraft und, mit Stemmeisen ausgerüstet, einen Felsblock heben will, rassig von Josue Dupon, einem belgischen Bildhauer, Medailleur und Elfenbeinschnitzer, veranschaulicht. Dupon hat an der Akademie von Antwerpen studiert. Lange stand diese Medaille auf meinem Pult und unterstützte meine eigenen Anstrengungen auf beruflicher Ebene.
 
Eine andere Plakette (5,5 ×7,5cm) begleitete Österreichs Präsenz auf der Weltausstellung von 1900 in Paris als „Erinnerungszeichen des K. K. Handelsministeriums“ und trägt den Titel „VERIBUS UNITIS“. Eine holde Frau, in langem Gewand, reicht einen Lorbeerzweig an 2 Schwerarbeiter … Diese Jugendstilarbeit stammt von Stephan Schwarz, Professor für Skulptur und Medaillengravur an der Kunstgewerbeschule in Wien.
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Hinweise auf die schweizerische Medaillen-Kunst
Als Schweizer habe ich natürlich auch Schweizer Medaillen gesammelt. Am Besten beginne ich mit der vergoldeten Bronzemedaille der Basler Gewerbeausstellung 1901 von Hans Frei, das Angesicht einer Jugendstil-Schönheit zeigend. Ihre Schulter ist mit einem Schlaghammer belastet. Die Rückseite zeigt eine Eiche, links und rechts mit dem Baslerstab geflankt. Im Hintergrund erkennt man das Münster und die Elisabethenkirche.
 
Eine andere Schweizer Plakette (5 × 8 cm) gedenkt der hundertjährigen „LA SUISSE PACIFIEE ET REORGANISEE“ (1803–1903). Auf der Vorderseite steht die Helvetia mit Banner. Über ihrem Haupt steht vermerkt LIBERTE PATRIE“. Auch diese Arbeit stammt von Hans Frei.
 
Eine kleinere Bronzeplakette, 4 × 6 cm, ist dem TIR CANTONAL GENEVOIS 1902“ gewidmet, und sie feierte das dreihundertjährige Bestehen dieses Anlasses. Diesmal hält eine halb entblösste Jägerin das Gewehr bei Fuss. Auf der Rückseite ist eine Schlachtszene illustriert, die an die von Genfer Eidgenossen gewonnene Schlacht vom 12. Dezember 1602 erinnert. Der Medailleur war Hugues Bovy (1841‒1903), der in Genf wirkte.
 
Viele Schweizer Ateliers von Medaillen zeugen vom hohen Stand dieser Kleinkunst.
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Ich beschliesse dieses Blog mit einigen Hinweisen an Sammler oder solche, die es werden wollen:
Die Patina muss erhalten sein. Auf Hochglanz poliert, ist die Medaille oder Plakette wertlos. Kratzspuren, beschädigte Kanten, abgegriffene Gravuren vermindern den Sammelwert ebenfalls empfindlich.
 
Medaillen wurden oft als Preise von den Akademien an Studenten oder vom Arbeitgeber an Jubilare verliehen. Allgemein sind sie ohne Inschrift des Preisträgers oder Jubilars vom Sammler am meisten begehrt.
 
Die meisten Medaillen und Plaketten sind sie beidseitig medailliert. Das verdoppelt die Freude. Manchmal weiss ich nicht, welche Seite ich bevorzugen sollte.
 
Nebst Bronze, vergoldet oder nicht, sind viele in Silber gearbeitet. Auch Kupfer wurde dazu verwendet.
 
„La Monnaie de Paris“ hat viele Neuprägungen von Original-Medaillen und -Plaketten heraus gegeben. Diese tragen die Punze der „Monnaie“ und können im Musé de la Monnaie de Paris, 11 quai de Conti, besichtigt und gekauft werden. Als Sammler meide ich sie.
 
Es besteht wenig Literatur über dieses Genre von Medaillen und Plaketten. In meiner Bibliothek habe ich einige Nachschlagwerke, die mir beim Verfassen dieses „Catalogue raisonné“ geholfen haben. Immerhin sind die Nachschlagewerke der „Monnaie“ für französische Medaillen und Plaketten sehr nützlich und aufschlussreich.
 
Wie erwähnt, habe ich die meisten Sammelstücke auf diversen Flohmärkten in Paris, Brüssel, Genf, Basel und auch London gefunden. Wiewohl sie dort seltener auftauchen, bleiben sie Fundstellen für den Sammler.
 
Wer sich für diese Sammelnische interessiert, kann kostenlos meinen Katalog (auf Englisch) mitsamt Fotos übers E-Mail beziehen: e.baschnonga@export-expansion.com
 
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