Textatelier
BLOG vom: 25.03.2010

Münstertal D: Teuflisches Bergwerk, Kloster, irischer Mönch

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
 
„Eines der schönsten Täler, die in den Westabhang des Schwarzwaldes einschneiden, ist sicherlich das Münstertal. Unten ziemlich weit, verengt es sich nach oben immer mehr und läuft in verschiedene kleiner Täler aus, die von schäumenden Bergwassern durchflossen, mit schwarzen Tannen umrahmt, durch steil niederhängende Felsenriffe begrenzt, dem Naturfreunde viel Schönes bieten.“ Diese Beschreibung aus dem Buch „St. Trudperts-Büchlein“ stammt aus der Feder des ehemaligen Pfarrherrn von St. Trudpert Willibald Strohmeyer (1877‒1945).
 
Diese von ihm in blumigen Worten beschriebene Landschaft kenne ich ganz gut, und ich habe sie ins Herz geschlossen. Auf der einen Seite befinden sich die südländisch anmutenden Rebhügel des Markgräflerlandes (der „Toskana von Deutschland“) und auf der anderen Seite ist eine alpine Gipfelzone mit den höchsten Schwarzwaldbergen zu erblicken. Die markanteste Erhebung ist der Belchen, der mit seinen 1414 Metern am Ende des Tals und der Vorbergszone herausragt. Nicht umsonst wird der zweithöchste Berg des Schwarzwalds mit seiner sanften Kuppe auch als „König der Schwarzwaldberge“ bezeichnet. Der Heimatdichter Gerhard Jung nannte den Berg „Basilika des Belenius“ und „Dom des Sonnengottes“. Auch Johann Peter Hebel war von diesem Berg angetan. Er sagte einmal, die Erhebung sei „die erste Station von der Erde zum Himmel.“
 
Auch die Kelten waren von diesem Berg begeistert. Sie verbanden die Berge im schweizerischen Jura (Belchenfluh) und den Vogesen (Bölchen) zu einem rechtwinkligen Dreieck. Die Berge dienten als „Merkpunkte für die Aufgänge der Gestirne an den kalendarischen Richttagen“, wie in dem Bändchen „Hostoires, légendes, mémoires d`antan“ (Geschichten, Legenden, stille Zeugen) beschrieben ist. Es ist in der Tat ein magischer Ort und eine ebensolche Landschaft.
 
Wer schon einmal auf dem Belchen gewesen ist, wird von dem phänomenalen Ausblick höchst entzückt sein. Aus der Vogelperspektive des Belchengipfels erstreckt sich das lange Tal mit der Gemeinde Münstertal. Links und rechts vom Blickwinkel sind die hügeligen Vorberge des Schwarzwalds, in der Ferne das flache Oberrheintal und dahinter die Vogesen zu sehen. Aber man sieht vom Belchengipfel noch weiter. Bei klarer Sicht taucht am Horizont die mächtige Kette der Alpen auf. Bei so einem Anblick geht einem das Herz auf, und man kann alle wichtigen und unwichtigen Dinge im stressigen Leben vergessen. Erholung pur, nicht nur auf dem Gipfel, sondern auch in den Tälern.
 
Keine „lila Kühe“
Aber bleiben wir im Tal. Nicht umsonst wird das Tal, durch das das Flüsschen Neumagen fliesst, als die schönste Öffnung des Schwarzwalds zum Rhein hin bezeichnet.
 
An den Talhängen dominiert die Wiesen- und Weidelandschaft. Überall eingestreut sind alte Schwarzwaldhöfe. Ein schöner Anblick. Da fragte ich mich spontan: Wie wohl wird sich hier ein Feriengast fühlen, wenn er in einem Münstertäler Bauernhof übernachten kann? Hier findet er Ruhe und eine ungetrübte Atmosphäre. Hier kann man exzellent neue Kraft für den Alltag schöpfen. Hier fühlen sich Eltern mit ihren Kindern wohl, aber auch in den anderen Feriendomizilen im Ort.
 
Es gibt hier zwar keine „lila Kühe“, jedoch unzählige braun-bunte (vierbeinige) Rindviecher (Hinterwäldler), über 1300 Ziegen, Hunderte von Schafen, aber auch Pferde und Esel.
 
Ein über 250 Jahre alter Bauernhof im Kaltwassertal wurde vor einigen Jahren durch das Fernsehen bekannt. Die Berliner Familie Boro musste hier ein Leben ohne Strom, ohne fliessend Wasser auf dem Stand von 1902 einige Monate im Eindachhof gemeinsam mit Kuh, Schwein und Huhn ausharren. Der Südwestfunk filmte das Ganze.
 
Heute kann man den Hof von Peter und Marta Bert besichtigen. In einer 1-stündigen Führung durch Küche, Stube, Schlafgemach und Werkstatt wird der Besucher mit dem früheren Leben auf dem Bauernhof konfrontiert. Der Gast kann aber auch Schindeln selber spalten und hobeln und die Zutaten für ein Mahl im Kräutergarten sammeln (www.schwarzwaldhaus-muenstertal.de).
 
Übrigens gibt es in Münstertal eine ausgezeichnete Gastronomie. Beeindruckend und faszinierend für mich sind auch die alten Gasthöfe in denkmalgeschützten Mauern. In einigen Landgasthäusern werden schon seit über 300 Jahren die Gäste verwöhnt.
 
Treffen im wuchtigen Rathaus
Sie werden sich fragen, wieso ich gerade jetzt über das Münstertal schreibe. Am 15.03.2010 unternahm ich mit Walter Hess eine Exkursion durch das rissgeschädigte Staufen („Trotz Rissen eine liebenswerte Stadt“, so meine Definition nach der Besichtigung). Anschliessend fuhren wir nach Münstertal (so heisst die Gemeinde nach dem Zusammenschluss von Ober- und Untermünstertal heute) und besuchten Karl Pfefferle jun. im Tourismusbüro des mächtigen und repräsentativen Rathausgebäudes. Dieses wurde 1925/26 erbaut. Heute befinden sich im Rathaus die Kurverwaltung, der Bürgersaal und das Waldmuseum.
 
Ich stand schon seit einiger Zeit mit Karl Pfefferle wegen des Bienenkundemuseums in Kontakt. Der ruhige, sehr freundliche und gewichtige Angestellte von der Tourist-Information (www.muenstertal-staufen.de) empfing uns in Zimmer 7, übergab Walter und mir eine Menge Prospekte, einen Honig-Schnaps und ein Glas Waldhonig als Geschenk (wir revanchierten uns mit 2 Büchern aus dem Verlag Textatelier.com).
 
Es entwickelte sich ein angeregtes Gespräch. Wir erfuhren aus erster Hand viele Besonderheiten, Neuigkeiten und Infos über den Tourismus. Unser Gastgeber sagte, dass sich heute immer mehr Urlauber für einen Kurzurlaub in heimischen Gefilden entscheiden und nicht unbedingt in das Ausland reisen wollen. Hier in Münstertal habe man von der allgemeinen Zurückhaltung der Urlauber noch nicht viel gespürt. Im Gegenteil, hier kamen im letzten Jahr mehr Urlauber zu Besuch als in den Jahren zuvor. Der Fremdenverkehrsort registriert jährlich über 50 000 Gäste mit mehr als 300 000 Übernachtungen.
 
Während der angeregten Unterhaltung konnte ich in ruhigeren Augenblicken auch durch das Fenster auf den 602 m hohen kleinen Hausberg, das „Köpfle“, blicken (der grosse Hausberg ist der Belchen). Vom „Köpfle“ aus soll man einen herrlichen Rundblick von der Rheinebene und den Vogesen im Westen über das gesamte untere Münstertal bis nach St. Trudpert und weiter ins obere Münstertal bis auf den Schauinsland und natürlich auf den Belchen haben. Den Hausberg werde ich sicherlich bei einem nächsten Besuch ersteigen. Für uns geübte Wanderer wohl keine Herausforderung.
 
Hier gibt es angenehme Sommertage
Das Münstertal wurde auf Grund der klimatisch günstigen Verhältnisse bereits 1969 als staatlich anerkannter Luftkurort ausgezeichnet. Durch mehrjährige Messungen wurde ermittelt, dass hier eine grosse Luftreinheit im Tal herrscht. Und noch ein Vorteil wurde herausgestellt: Hier gibt es wenig Nebel und schwüles Wetter. An den Sommerabenden weht der „Belchenwind“, ein Fallwind, ins Tal und sorgt für angenehme Temperaturen.
 
Karl Pfefferle erläuterte dies ergänzend so: „Von der Belchenkuppe bis zum Talgrund in der Ortsmitte sind es 5 km Luftlinie bei 1000 m Höhenunterschied. Man spricht in diesem Fall von einer Reliefenergie. Diese Höhenentwicklung auf eine kurze Distanz ist für den Schwarzwald und das deutsche Mittelgebirge sehr selten. Das Münstertal, das auch als Tal der 100 Täler genannt wird, bringt aus den Seitentälern etwa 70 mit Namen benannte Bachläufe und viel unbenannte Gebirgsrinnsale, die auch bei extremen Schwületagen und der begleitende Winde für stetige Abkühlung und Linderung in den Abendstunden sorgen.“
 
Wandermönch Trudpert wurde erschlagen
Der Wandermönch Trudpert, ein iro-schottischer Mönch, liess sich in der ersten Hälfte des 7. Jahrhunderts hier nieder, errichtete ein Bethaus und missionierte die heidnischen Alemannen. Aber sein Wirken war nur von kurzer Dauer. Wie die Legende berichtet, wurde er von einem Rodknecht mit der Axt erschlagen.
 
An der Stelle, wo die ruchlose Tat geschah, wurde um 800 ein Kloster errichtet. Es war das 1. Benediktinerkloster rechts des Rheins. Bis zur Säkularisation war das Kloster fast 1000 Jahre der geistige, kulturelle und wirtschaftliche Mittelpunkt des Tals und seiner Umgebung.
 
Im Laufe der vielen Kriege, die auch hier über die Menschen hereinbrachen, ging das Kloster mehrfach in Flammen auf. Zuerst waren es die Hunnen (um 930), dann die Schweden (1632), die hier wüteten.
 
Heute präsentiert sich das Kloster St. Trudpert als barockes Kleinod, das mich immer wieder fasziniert. Die prächtige Kirche und die Klosteranlage wurden vom Vorarlberger Peter Thumb errichtet (Fertigstellung 1760). Dem Baumeister, der in unserer Gegend etliche Kirchen gebaut hat, gelang eine Meisterleistung, indem er den gotischen Chor mit in das neue barocke Gesamtbauwerk integrierte.
 
Heute befindet sich im Klostergebäude das Provinzhaus der Kongregation der Schwestern vom hl. Josef zu St. Marc. Die Schwestern laden zu Einkehrtagen, Exerzitien, Tagungen und Veranstaltungen zur Vertiefung des Glaubens ein (www.kloster-trudpert.de und Infos über Konzerte: www.bk-muenstertal.de).
 
Bei unserem Besuch am 15.03.2010 konnten wir auch einen Blick in die imposante Klosterkirche machen. Der Innenraum ist 72 m lang, 18 m breit und 18 m hoch. Auffallend sind die 3 grossen Deckengemälde (Reue des Petrus, Bekehrung des Paulus und die büssende Magdalena). „Der Bilderkranz, der diese 3 grossen Gemälde umgibt, bildet eine Darstellung aus dem Leben des hl. Trudpert mit der Versinnbildlichung seiner Tugenden und der Tugenden, die ein guter Mönch haben soll“, schrieb Willibald Strohmeyer.
 
Mir fielen besonders die Altäre und die Kanzel auf. Am Unterteil der Kanzel entdeckte ich 3 Putten-Engel. Bei einer Putte, die einen Bienenkorb hielt, erinnerte ich mich an eine ähnliche, die in der Wallfahrtskirche Birnau am Bodensee zu sehen ist. Die dortige Figur wird „Honigschlecker“ genannt.
 
Teufelsgrund und Bienenkundemuseum
Über das Bienenkundemuseum habe ich in einem Blog schon ausführlich berichtet. Das Museum ist mit seinen 1500 Schaustücken weltweit einzigartig. Der Besuch ist sehr zu empfehlen (www.bienenkundemuseum.de).
 
Unter den Sehenswürdigkeiten ist das Besucherbergwerk Teufelsgrund ein weiteres Highlight. In Münstertal und Umgebung wurde schon sehr früh Bergbau betrieben. Der Silberbergbau war lange Zeit eine gute Einnahmequelle für das Kloster. Es wurde Blei, Silber, Kupfer, später Eisen und Feldspat gefördert. Es wurden viele Erzgänge lokalisiert (Blei-Silber-Zinkerzgänge, Quarz-Kies-Fahlerzgänge, Quarz-Kies-Antimonerzgänge, Quarz-Scherspat-Gänge mit Zink-Erzen, Quarz-Eisenspat-Schwerspat-Gänge mit Kupferkies und Zinkblende).
 
1970 wurde das Schau- und Besucherbergwerk Teufelsgrund eröffnet. Besucher können dem ebenerdig liegenden, 600 m langen Schindlerstollen entlang wandern und originale Arbeitsgeräte inspizieren. Es war schon eine harte Arbeit, die hier fleissige Bergleute verrichteten. Vor Verwendung des Schiesspulvers benutzten die Bergleute Hammer und Meissel für den Abbau. Die Abbaugeschwindigkeit war sehr gering. Ein Bergmann konnte höchstens 1‒2 cm pro Schicht bewältigen.
 
Zur Namensdeutung wusste Karl Pfefferle zu berichten, dass der Erzgang im Schindler „Teufelsgrund“ genannt wird. Ein früherer Eigentümer hiess „Teuwers“ oder so  ähnlich. Aus dem Namen könnte im Wandel des Sprachgebrauchs durch eine Verballhornung und Abwandlung die Bezeichnung „Teufelsgrund“ erfolgt sein. Eine andere Erklärung ist nicht bekannt.
 
In Münstertal gibt es noch eine Besonderheit: Einen geologisch-bergbaugeschichtlichen Wanderweg. Die Ostroute beträgt 12 km und die Westroute 5 km. Diese Wege werde ich einmal begehen und darüber auch berichten.
 
Weitere Sehenswürdigkeiten: Schnitzerstube (www.schnitzerstube.de) und einen Kohlenmeiler.
 
In Münstertal, in den umliegenden Seitentälern und auf den angrenzenden Bergen des Schwarzwalds gibt es insgesamt über 150 km Mountainbike-Strecken und ein über 300 km langes Wanderwegnetz. Hier ist ein Eldorado für Wanderer, Nordic Walker und Mountainbiker. Die Touristinformation bietet detaillierte Karten mit Routenvorschlägen an.
 
Und noch etwas Bemerkenswertes bieten Münstertal und mehr als 100 Orte im Schwarzwald an, nämlich die Konus-Karte. Mit Hilfe der Gäste-Karte können die Urlauber mit Bus und Bahn gratis den Schwarzwald bereisen (www.schwarzwald-tourismus.info).
 
Es lohnt sich also, nach Münstertal zu reisen. Es gibt hier in diesem friedlichen und von der Natur verwöhntem Tal unwahrscheinlich viel zu sehen und zu erkunden.
 
Öffnungszeiten
Besuchsbergwerk Teufelsgrund: 1. April bis 31. Oktober, Di., Do., Sa von 10 bis 16 Uhr, sowie Sonn- und Feiertag 13 bis 16 Uhr. Juli und August: Zusätzlich Mittwoch und Freitag von 13 bis 16 Uhr.
Bienenkundemuseum: Mi., Sa., So. und Feiertag 14 bis 17 Uhr.
 
Literatur
Lange, Manfred: „Münstertal – Das Tal der 100 Täler“, Münstertal 1995.
Maus, H.: „Besucherbergwerk Teufelsgrund“, Münstertal, 1988.
Maus, H.: „Führer zum geologisch-bergbaugeschichtlichen Wanderweg“, Münstertal 1993.
Schweizer-Völker, Edith: „Histoires, légendes, mémoires d`antan“ (Geschichten, Legenden, stille Zeugen), 2008.
Strohmeyer, Willibald: „Das St. Trudpertsbüchlein“, Band 1, Nachdruck, Münstertal 1994.
Schriften „Münstertal – Südlicher Schwarzwald“ und „Magische Landschaft“, von der Touristinfo überreicht.
 
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