Textatelier
BLOG vom: 08.06.2010

Erdbeeren gegen Gicht, Entzündung, Verstopfung, Durchfall

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
 
„Zweifellos hätte Gott eine bessere Beere als die Erdbeere schaffen können … aber ebenso zweifellos hat er es nicht getan.“
(Izaak Walton, 1593‒1683)
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„Welch Freude, wenn Kinder das erste Erdbeersträusschen den Eltern, dem Lehrer, dem Pfarrer bringen! Welcher Genuss, wenn als Nachspeise der erste Teller kühlender Erdbeeren auf den Tisch gebracht wird.“
(Sebastian Kneipp: „Meine Wasser-Kur“)
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„Reife Erdbeeren um Pfingsten bringen ein gutes Weinjahr.“
(Bauernregel)
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„Wegen einer Erdbeere sollte ein Mann vom Ross herabsteigen, um sie zu pflücken; eine Frau aber sollte sie zertreten.“ Dies lesen wir mit einem Schmunzeln in alten Schweizer Schriften über Volksglauben. Warum die Erdbeere für den Mann als gut und für die Frau als schädlich galt, ist wohl niemals richtig zu ergründen. Heute ist dies zum Glück anders. Die köstlich duftende, herrlich schmeckende und appetitanregende Erdbeere erfreut sich allseits grosser Beliebtheit.
 
Es gibt kaum einen Garten, wo die zu den Rosengewächsen (Rosaceae) zählende Erdbeere (Fragaria) nicht angebaut wird. Grosse Plantagen an den Ballungsgebieten und in südlichen Ländern sind nötig, um den riesigen Bedarf zu decken. So Erdbeer-verrückt sind wir geworden!
 
Auch bei uns im Markgräflerland gibt es diverse Erdbeerplantagen. Man kann die Erdbeeren dort kaufen oder selber pflücken. Da wird wohl so mancher vom vielen Bücken Kreuzschmerzen bekommen. Aus diesem Grund verzichtete ich bisher und kaufe die Beeren auf dem Markt oder direkt bei einer Frau aus Wollbach, die jeden Freitag mit ihrem Auto vor unsere Haustüre fährt, um Frischobst und Frischgemüse anzubieten. Die frisch gepflückten Erdbeeren schmecken dann natürlich wesentlich besser und sind aromatischer als die gelagerten aus dem Supermarkt. Auch kaufen wir keine Erdbeeren vor Beginn der Saison. Wir warten geduldig auf die leckeren Früchtchen aus heimischen Gefilden (ca. 2 Euro/500 g).
 
Im Internet entdeckte ich einen Hinweis auf die Thurgauer Beeren, publiziert von der Vereinigung Thurgauer Beerenpflanzer, CH-8268 Salenstein. Im milden Bodenseeklima gedeihen die Erdbeeren dort prächtig. 95 % der Beeren werden nach den Richtlinien der Integrierten Produktion und SwissCAP, und 5 % nach Bioanforderungen angebaut (www.erdbeeren.ch). Auch in Deutschland und Österreich gibt es diverse Plantagen mit Bio-Erdbeeren.
 
Übrigens werden in Österreich und im süddeutschen Raum (besonders um München, aber auch in anderen Gegenden Bayerns) die grossfruchtigen Zuchtformen „Ananas“ genannt.
 
Früher begnügten wir uns hauptsächlich mit der Walderdbeere (Fragaria vesca L.), die wir gerne sammelten. Mit Kannen und leeren Konservendosen bewaffnet, zogen wir Kinder in den nahen Wald oder an Wegränder und Böschungen und suchten die besten Plätze auf. Zum Schluss wurde ermittelt, wer am meisten Erdbeeren hatte. Die besonders hungrigen Mädchen oder Buben schnitten dabei am schlechtesten ab; denn die meisten Beeren wanderten nicht ins Töpfchen, sondern gleich in den Mund. Zu Hause gab es frisch bereitetes Erdbeermus oder zerdrückte Erdbeeren auf Butterbrot, oder man ass die Erdbeeren mit Milch vermischt. Für uns war dieser Brotaufstrich das Köstlichste, was es zu jener Zeit gab.
 
Wie sieht es heute aus? Wir essen kaum noch Walderdbeeren, sondern die hochgezüchtete Gartenerdbeere, die punkto Aroma und Inhaltsstoffe der ersteren nicht das Wasser reichen kann. Oft werden unsere Kinder mit Käse und Wurst und anderen fett- und zuckerreichen Brotbelägen überfüttert. Viele haben die einfachen, natürlichen und gesunden Brotaufstriche nie kennengelernt. Deshalb ist es nicht verkehrt, wenn wir diese einfachen Rezepte an unsere Kinder und Enkelkinder weitergeben.
 
Erdbeerzeit sind Festtage
Erdbeerzeit – das bedeutet für uns immer Festtage. In allen Variationen kommen Erdbeeren auf den Tisch. Hie und da werde ich mit einem Erdbeerbrot nach alter Rezeptur erwischt. Aber was soll`s, Hauptsache, es schmeckt und ist gesund.
 
Meine Frau Paula ist ebenso ein Fan von Erdbeeren. Sie sagt dann immer: „Heute Abend gibt es Erdbeeren mit Sahne, das ist mein Abendessen.“ Ich bevorzuge Erdbeeren natur oder mit Naturjoghurt vermischt. Eine Köstlichkeit. Ab und zu versuche ich es mit der Zubereitung eines Erdbeerkuchens oder einer Erdbeer-Sahne-Biskuitrolle.
 
Kürzlich entdeckte ich in einer Zeitschrift das Rezept „Karamellisierter Spargel mit Sabayon“. Die Kombination von Erdbeeren mit karamellisiertem Spargel war für mich neu, und ich wagte mich an das Rezept heran. Alles ging gut, bis auf das Sabayon, das leider nicht halbfest wurde, sondern flüssig blieb. Ich schlug Eigelb mit Holunderblütensirup und Wein in einer Schüssel (ein Schlagkessel war nicht vorhanden) auf dem Wasserbad. Nun, die Eimasse mit den erwähnten Zutaten wurde nicht dicklich. Vielleicht schlug ich mit einem Schneebesen nicht lange genug (ich habe ja keine Erfahrungen mit Schlägereien). Dann gab ich auf. Ich servierte den karamellisierten Spargel auf einer Erdbeerschicht, darüber goss ich die dünnflüssige Sabayon-Masse. Es schmeckte trotzdem. Das Rezept wollte ich anlässlich eines Besuchs von Freunden servieren, liess es aber sein. Demnächst werde ich üben, bis ein Sabayon-Meister aus mir wird, oder auch nicht.
 
Aber ich habe schon ein ganz anderes Rezept in petto, nämlich Erdbeer-Tiramisu, das sicherlich gelingen wird. Sie finden das Rezept unter www.swissmilk.ch.
 
Erste Kulturen
Die ersten Erdbeerkulturen entstanden im 14. Jahrhundert in Frankreich. 1623 kam die grosse nordamerikanische Scharlach-Erdbeere nach Frankreich. 1712 brachte der Botaniker Amédée-François Freziér eine noch bessere Erdbeere aus Chile nach Brest. Aus der Chile-Erdbeere entstand durch Kreuzung mit anderen Erdbeeren die erste Gartenerdbeere. Die heutigen Arten und Hybriden sind unter http://de.wikipedia.org/wiki/Erdbeeren einsehbar.
 
Medizin und Kosmetikum
Erstaunlich ist, dass die antiken Heilkundigen die Walderdbeere nicht in ihren Heilschatz aufnahmen. Die römischen Dichter Ovid und Vergil berichten nur vom „Sammeln der Erdbeeren“.
 
Im Mittelalter wurden die Erdbeeren auch als Medizin und Kosmetikum entdeckt. Matthiolus (1500‒1577), Hofarzt Kaiser Maximilians, rühmte die wundheilende, harntreibende und zusammenziehende (adstringierende) Wirkung.
 
Viele schöne Frauen der Geschichte verdanken der Erdbeere ihren jugendlichen Teint. Auch heute ist die Erdbeere als Kosmetikum noch beliebt. Innerlich zur Verbesserung des Bindegewebs und äusserlich in Form einer Maske zur Straffung der schlaffen Haut.
 
Der französische Philosoph und Schriftsteller Bernard de Bovier de Fontenelle (1657‒1757) schrieb der Frucht eine lebensverlängernde Wirkung zu. Er ass Riesenmengen Erdbeeren und wurde 100 Jahre alt. Waren es nur die Erdbeeren, die hier lebensverlängernd wirkten?
 
Der berühmte schwedische Naturforscher Carl von Linné (1707‒1778) kurierte seine Gicht mit Erdbeeren.
 
Was Kneipp über die Erdbeere sagte
In seinem berühmten Werk „Meine Wasserkur“ legte Sebastian Kneipp Erdbeerkuren besonders den Gries-, Stein- und Leberleidenden ans Herz. Über die weitere Verwendung der Frucht schrieb er folgende Zeilen: „Die Erdbeeren selbst sind als Gesundheitsmittel gar nicht zu unterschätzen. Man gebe dieselben besonders Rekonvaleszenten, die grosse Schwäche und Entkräftigung nach schweren Krankheiten spüren; man gebe sie verbunden mit anderen Nahrungsmitteln. Wer im Sommer längere Zeit hindurch, gleichsam zum Kurgebrauche, täglich zum Beispiel einen Schoppen Milch mit einem halben Schoppen Erdbeeren vermischt oder täglich 2-mal ein Stück guten Roggenbrotes mit je einem viertel Schoppen Erdbeeren geniesst, wird bald die überaus wohltuende Wirkung verspüren, die neben der Kräftigung auch in Blutreinigung besteht (…). Bei innerer Hitze leisten Erdbeeren im Sommer selbst Kranken die besten Dienste. Welch herrliches Refrigerans, das dem Lechzenden als kühlendes Labsal damit gereicht werden kann.“
 
Erdbeerblättertee gegen Durchfall
Eine mehrtägige Kur mit frischen Erdbeeren (täglich 500‒1000 g) ist hilfreich bei Verstopfung, Hämorrhoiden, venösen Stauungen, Gelenkrheumatismus, Gicht, Nierenleiden und Kreislaufstörungen. Erdbeerblättertee eignet sich hervorragend zur Behandlung von Schleimhautentzündung, Magen-Darm-Störungen, insbesondere Durchfall.
 
Teebereitung: 1 bis 2 gehäufte zerkleinerte Blätter der Walderdbeere mit 250 ml kochendem Wasser übergiessen, 15 Minuten ziehen lassen, abseihen. Mehrmals täglich eine Tasse trinken, oder bei Infektionen und Entzündungen im Mund und Hals damit spülen bzw. gurgeln.
 
Laut Angaben in dem Buch „Kleine Outdoor-Apotheke“ kann man auch zerquetschte Blätter der Walderdbeere auf Wunden legen. Bei entzündeten Wunden sollte man die Blätter eine halbe Stunde auf der Haut belassen. Die Auflage wirkt kühlend und wundheilend.
 
Reich an Fruchtsäuren
Die Erdbeere (aus botanischer Sicht handelt es sich um keine Beere, sondern um eine Sammelnussfrucht) besitzt eine interessante Komposition von Inhaltsstoffen. Nennen möchte ich Duft- und Aromastoffe, Trauben-, Frucht-, Rohrzucker, Fruchtsäuren (Zitronen-, Apfelsäure), Aminosäuren, Enzyme, Vitamine und Mineralstoffe (Magnesium: 13 mg/100 g und Kalzium: 20  mg/100 g). Beachtlich sind der Kalium- (160 mg/100g) und der Vitamin-C-Gehalt (65 mg/100 g). Die Erdbeere zählt damit zu den kalium- und Vitamin-C-reichsten einheimischen Früchten. Sehr gering sind der Natriumgehalt (1 mg/100 g) und der Puringehalt (20 mg/100 g).
 
Welche Wirkungen entfalten die genannten Inhaltsstoffe? Die Fruchtsäuren regen den Darm an, wirken mild abführend. Aroma- und Duftstoffe und aromatische Säuren fördern den Appetit. Sie steigern also die Esslust. Aber keine Angst vor einer Gewichtszunahme! 100 g Erdbeeren haben nur 32 kcal bzw. 136 kJ. Da kann man also bedenkenlos futtern.
 
Walderdbeerblätter enthalten Gerbstoffe, Flavonoide und eine kleine Portion ätherisches Öl. Die Gerbstoffe sind für die entzündungshemmende und durchfallbeseitigende Wirkung verantwortlich.
 
Getrübte Freude
Etliche Menschen können sich an der köstlichen Frucht nur sattsehen, aber diese nicht verzehren. Sie reagieren überempfindlich mit juckenden Hautausschlägen (Nesselsucht). Diese Personen müssen alle Erdbeerzubereitungen meiden. Es ist auch möglich, dass ein Mensch gleichzeitig auf andere Vertreter einer Pflanzenfamilie allergisch reagiert. Liegt bei einer Person beispielsweise eine Erdbeerallergie vor, ist es möglich, dass diese auch Äpfel, Aprikosen, Birnen, Brombeeren, Hagebutten, Himbeeren, Kirschen, Mandeln, Pflaumen, Schlehen oder Zwetschgen nicht verträgt. Alle diese genannten Vertreter gehören zur Familie der Rosengewächse. Die meisten Erdbeerempfindlichen vertragen jedoch den Erdbeerblättertee.
 
Als unsere Lieferantin von Frischobst- und Frischgemüse am letzten Freitag zum ersten Mal in diesem Jahr Erdbeeren anbot, konnten wir uns nicht zurückhalten und kauften einige Körbchen. Auf meine Frage, wie lange sie noch ihre saftigen und aromatischen Erdbeeren anbiete, antwortete sie: „Vielleicht 2 Wochen, aber trösten Sie sich, dann gibt es schon die ersten Kirschen.“ Auch die Kirschen gehören zu meinem Lieblingsobst. Und was gibt es Ende Juli und im August? Auch diesbezüglich wusste verbreitete sie Zuversicht: „Dann gibt es bereits die ersten Zwetschgen.“ Später folgen Äpfel und Birnen. Somit haben wir bis in den Herbst hinein Frischobst und andere Beeren zum Geniessen.
 
Anhang
Einkauftipps von Barbara Hofmann
O Nur in ihrer Hochsaison haben Erdbeeren ihre kräftige Süsse und den typischen Duft. Zu frühe Ernte und ein langer Transportweg schaden dem Aroma. Kaufen Sie saisongerecht ein!
 
O Prüfen Sie vor dem Kauf, ob der Boden des Körbchens trocken ist. Matschige oder verschimmelte Beeren am Boden sind Zeichen, dass das Obst nicht mehr frisch ist. Sortieren Sie die Beeren zu Hause sofort aus. Faule Beeren stecken gesunde sehr schnell an.
 
O Die Beeren, falls überhaupt, erst kurz vor dem Essen vorsichtig unter fliessendem Wasser waschen. Die Erdbeeren erst putzen, wenn sie bereits gewaschen sind. Sie saugen sonst zu viel Wasser auf und werden matschig.
 
O Im Kühlschrank lassen sich die Beeren in einem Sieb mehrere Tage aufbewahren. Beim Tiefgefrieren werden die Beeren zuerst auf ein flaches Tablett gelegt und so gefroren. Erst dann sollen sie verpackt werden. Das lose Einfrieren verhindert das Aneinanderkleben der Beeren.
 
Internet
 
Rezepte im Internet
 
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Literatur
Hofmann, Barbara: „Aromatische Früchte aus dem Garten“, „Natürlich“, 1989-06.
Kneipp, Sebastian: „Meine Wasser-Kur“, Kempten 1891.
Rawer, Claudia; Zehnder, Ingrid: „Kleine Outdoor-Apotheke“, Verlag A. Vogel G, Teufen 2010.
Scholz, Heinz: „Erdbeeren gegen Gicht und Entzündungen“, „Natürlich“, 1989-06.
Souci, Fachmann, Kraut: „Der kleine Souci, Fachmann, Kraut“, wvg, Stuttgart 2004.
Vogel, Alfred: „Der kleine Doktor“, Verlag A. Vogel, Teufen, 68. Auflage.
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