Textatelier
BLOG vom: 20.08.2012

Aufmerksamkeit über alles: Mönche, Nackte und Möpse

Autor: Richard Gerd Bernardy, Dozent für Deutsch als Fremdsprache, Viersen/Niederrhein D
 
Die Mönche im 12. Jahrhundert hätten ihren Spass gehabt. 1177 berief der Lübecker Bischof Heinrich I. von Brüssel Benediktinermönche aus Braunschweig nach Lübeck in die Stadt und weihte dort ein Kloster, das Johanniskloster, in das später auch einige Nonnen aufgenommen wurden. Schon bald gab es Klagen: Die Klosterbrüder benähmen sich innerhalb und ausserhalb der Klostermauern den Damen gegenüber so gar nicht wie Mönche; dazu kamen heftige Streitigkeiten mit den Zisterziensermönchen. Auf Anordnung des Landesherrn Graf Adolf IV. folgte 1231 die Verlegung des Klosters nach „Cicimeresthorp“, heute Cismar, ein unbedeutender Ort nördlich von Lübeck, noch nicht einmal an der Ostsee gelegen. Die Mönche sabotierten ihre Strafversetzung, denn das war sie im Vergleich mit Lübeck in der Tat, zunächst durch Passivität, 1238 begannen sie eher lustlos mit dem Bau des Klosters, erst 1256 gaben sie ihren Widerstand auf.
 
Weshalb die Mönche ihren Spass gehabt haben? Das Kloster beherbergt heute ein Museum der Stiftung Schleswig-Holsteinische Landesmuseen Schloss Gottorf. In diesem Sommer 2012 kann man eine Ausstellung besuchen, in der Karin Székessy Fotografien unter dem Titel „Bell’ami“ präsentiert, „die sich mit den Beziehungen zwischen Hund und Mensch auseinandersetzt.“ Es sind zum grössten Teil Schwarz-Weiss-Aufnahmen, fotografiert in Grossbritannien, Frankreich und den USA.
 
Das Ankündigungsplakat zeigt 2 Frauen und einen Hund. Die Frauen, vom Gesicht her sehr ähnlich, sind beide nackt, wobei die eine der beiden auf dem Chaiselongue liegt und ihre prallen Brüste präsentiert. Der Hund sitzt auf dem Boden zwischen den beiden. Es gibt noch einige andere Aufnahmen, die nackte Damen und ihre Hunde zeigen, ein sehr schönes ästhetisches Bild zeigt einen Teich, an dessen Rand eine nackte junge Dame in voller Blösse auf dem Rücken auf der Wiese liegt, neben ihr der Hund, mit dem Titel „Ausruhen nach dem Bad“; ein weiteres zeigt eine junge, fröhlich lachende Dame mit Hund. Nur: Warum ihre rechte Brust entblösst sein muss, entzieht sich meinem Verständnis. Daneben sind auch Alltagsdarstellungen von normal bekleideten Frauen und Männern mit ihren Hunden abgebildet, im Haus oder auf der Strasse. Es hätte mich interessiert, was nackte Frauen mit Hunden „mit der Beziehung zwischen Hund und Mensch“ zu tun haben. Etwa: weil Hunde auch nackt sind, sollten das die Eigentümerinnen auch sein?
 
Um der Frage auf den Grund zu kommen, dachte ich mir, kann es sinnvoll sein, die Künstlerin und ihr Werk zu betrachten. Karin Székessy gilt als eine renommierte Fotografin in Deutschland.
 
Wie die Internetbeschreibung zu dieser Ausstellung darlegt, ist sie eine leidenschaftliche Hundesfreundin. Angeblich stiehlt der Mops auf den Fotos, einer der von ihr bevorzugten Hunderasse, „trotz aller weiblichen Erotik“ den Models die Schau. Zur Begründung wird Loriot zitiert:Es ist unklug, sich mit Möpsen fotografieren zu lassen. Weder durch Gesichtsausdruck, noch durch Körperbau oder Charakter ist der Mensch in der Lage, dem Vergleich mit Möpsen standzuhalten.“ (Man beachte die Doppeldeutigkeit des Worts Möpse!) Loriot hat bei dieser Aussage vermutlich nicht an Aufnahmen mit (teilweise) entblössten Damen gedacht, oder etwa doch? Der Blick wird auf die Damen gelenkt, während der Hund nur einen weiteren Bestandteil des Fotos darstellt.
 
Um nicht falsch verstanden zu werden: Bis unsere Kinder erwachsen waren, gab es viele Jahre lang einen Hund im Haus, der immer seinen Bedarf an Streicheleinheiten erhalten und das erforderliche „Gassigehen“ mit ausführlichen Spaziergängen genossen hat! Und oft war er auch Bestandteil von Fotos, allerdings nur mit vollständig bekleideten Personen.
 
Vom künstlerischen Anspruch her sind die Fotos wirklich sehenswert. Schwarz-Weiss-Fotos so zu arrangieren, dass die Abstufungen zwischen schwarz und weiss die Aufnahmen brillant und aussagekräftig machen, ist wirkliche Kunst. „Székessys fotografische Arrangements erzählen zudem teils humorvolle, teils skurrile Geschichten von der Liebe zwischen Vier- und Zweibeinern, voller Feinsinnigkeit und geheimnisvoller Symbolik.“ Es kommt wohl auch auf die Interpretation von Humor und Skurrilität an!
 
Die 1938 geborene Künstlerin hat einige Kodak-Preise eingeheimst, in vielen Zeitschriften veröffentlicht, u. a im Playboy, in der ZEIT, im SPIEGEL und in der FAZ, und schon viele Ausstellungen präsentiert, meistens in Galerien, aber auch in einigen Museen, z. B. im Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg.
 
Die Website der Grauwert Galleries in Hamburg schreibt über die Künstlerin: „The German photographer is most admired for her unique style of nude photography. She carefully arranges her models in often surrealistic table.“
 
Wahrscheinlich muss eine Künstlerin, um Aufmerksamkeit zu bekommen, nicht nur hervorragend arbeiten, sondern auch sich und ihr Werk verkaufen können. Und dazu sind aufgefallene Ideen erforderlich!
 
Um noch einmal auf die Mönche zurückzukommen: Ich finde folgende kleine Geschichte von Gottfried Ephraim Lessing, obwohl ich sie schon viele Jahre kenne, immer noch sehr amüsant:
 
Auf einen Brand zu **
Ein Hurenhaus geriet um Mitternacht in Brand.
Schnell sprang, zum Löschen oder Retten,
Ein Dutzend Mönche von den Betten.
Wo waren die? Sie waren – – bei der Hand.
Ein Hurenhaus geriet in Brand.”
 
Hinweise
 
de.wikipedia.org/wiki/Cismar
 
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