Textatelier
BLOG vom: 07.08.2013

Densbüren AG: Biogas- und Solaranlage beim Wolkenbruch

Autor: Walter Hess, Publizist, Biberstein AG/CH (Textatelier.com)
 
Die neue Solaranlage auf einem Stalldach des Aemethofs von Roland Nussbaum in Densbüren AG (Bezirk Aarau) quittierte ihre Dienste. Die ebenso neue Biogasanlage aber zeigte sich an den Einweihungstagen unbeeindruckt. Die vielen Besucher rannten zum Festzelt mit dem schützenden Dach. Das Wasser aus dem Wolkenbruch, das auf der Plane aufschlug, vermittelte den Eindruck, als befinde man sich unter dem Rheinfall. In ganzen Sturzbächen, breiten Vorhängen, fiel das Regenwasser vom Dach, und ein Hofangestellter mühte sich ab, dass das Wasser über einen Schacht schneller abfloss und sich der kleine See im Zelt bei den Tischen und Bänken nicht noch mehr ausweitete. Windstösse rüttelten an den Zeltwänden. 2 Alphornbläser suchten sich im Gewitterlärm durchzusetzen; die heimatlichen, beruhigenden Klänge schienen von weither zu kommen, eine melancholische Atmosphäre verbreitend. Mit der Zeit verzog sich das Gewitter. Der Spuk war vorbei.
 
Die Sonne schaute hinter den sich verabschiedenden Gewitterwolken über dem Kettenjura hervor und setzte die von der IBAarau betriebene Solarenergieproduktion wieder in Gang, derweil in vielen Teilen des oberen Fricktals der Strom während Stunden ausgefallen war. Wir spürten im Aemethof, dem durchrationalisierten Biobetrieb in der Juralandschaft, nichts davon, genossen ein grilliertes Steak aus hofeigener Produktion, Pommes frites, Schlör-Apfelsaft, Kuchen, Linzertorte und die Götterspeise von Rita Bircher aus dem nahen Biberstein. So wurden wir für einen Rundgang gestärkt.
 
Strom von der Sonne mit Unterbruch
Daniel Richner, ebenfalls ein Bibersteiner, erklärte uns die Photovoltaikanlage, deren Solargenerator, bestehend aus mehreren miteinander verbundenen „Sunpower“-Solarmodulen, sich auf einem 520 m2 umfassenden Stalldach befindet. Die Leistung: 115 kWp (mit Wp = Watt Peak bezeichnet man die von Solarmodulen abgegebene elektrische Leistung unter Standard-Testbedingungen). Wechselrichter in einem eigenen Raum wandeln den Gleichstrom in Wechselstrom um, und diese marktgängige Energie wird via Energiezähler und Netzsicherung ins öffentliche Stromnetz eingespeist. Die Stromumwandlung in den 4 Wechselrichtern (Power-One Trio) führt zu deren starker Erwärmung (Energieverlust von rund 5 %), so dass der entsprechende Raum gekühlt werden muss, damit kein Brand entstehen kann. Der Jahresertrag an Elektrizität wird mit zirka 98 700 kWh angegeben. In 20 Jahren soll der Wirkungsgrad um etwa 20 % geringer sein; nach etwa 25 Jahren wird man die Solarmodule ersetzen müssen.
 
Biogas aus Exkrementen
Diese Solaranlage, die natürlich unterhalten werden muss und die allenfalls sich unter dem Dachvorsprung aufhaltende Kühe im Winter mit Dachlawinen bedroht (dieses Problem muss noch gelöst werden) und in langen Trockenperioden im Frühjahr wegen Blütenstaubablagerungen an Wirkung verliert, ist auf dem modernen Biohof nur eine Randerscheinung. Die Hauptattraktion ist die Biogasanlage, der wir uns nun über die Mist- und Jauche-Produktionsstätten annäherten.
 
Martin Hächler aus Biberstein (Auensteinerstrasse), einer der 4 Beteiligten an der Betriebsgemeinschaft, führte uns durch den weitgehend automatisierten Betrieb. Der Freilaufstall mit den Fressgitter vom Typ „Smart“ kann von einem Steg direkt unter dem Dach überblickt werden. Darin finden 127 hornlose Kühe Platz; und zudem gehören 60 Kälber und 90 Schweine zum Hof.
 
Die Kühe hätten es am liebsten, wenn keine Menschen da seien, sagte Martin Hächler, obschon dieser als „Schönster Bauer der Schweiz“ („Mister Heubuuch“, 2007) gewiss keinen unansehnlichen Anblick bietet. Die vielen Besucher mögen insbesondere dem Muni (Zuchtstier) die gute Laune verdorben haben, der sich in eine Boxe zurückzog und die Gäste keines Blicks würdigte. „De isch dure“, sagte ein Besucher, was Hächler in Abrede stellte. Vielleicht haben auch die Sommerwärme und eine gewisse Überlastung zur Abgeschlafftheit beigetragen, denn auf dem Aemethof wird keine Künstliche Besamung (KB) betrieben, sondern der Zuchtstier nimmt diese Aufgaben höchstpersönlich wahr; man spricht vom Natursprung, der natürlich artgerecht ist und alle Beteiligten befriedigt. Der Muni wird alljährlich ausgewechselt – einmal kommt ein fleisch-, dann wieder ein milchbetontes Tier zum Einsatz. Das Rinderleben auf dem Aemethof hat also seine angenehmen Seiten, wozu auch gehört, dass alle Kühe geweidet werden.
 
Im Freilaufstall befindet sich eine vollautomatische Fütterungsanlage, zu der auch eine Ballenfräse für 8 Rundballen gehört. Alles wird sozusagen mundgerecht zerkleinert und mit einem Förderband gleichmässig verteilt. „Kühe überfressen sich nicht“, stellte Martin Hächler fest, was ich beherzigte.
 
Beim Fressen in Reih’ und Glied gelangen der Kot und Urin in einen der Mittelkanäle, in denen jeweils ein Entmistungsschieber mit beidseitigem Greifarm die Ausscheidungen aus dem Schwemmkanal zu den Jauchebehältern schiebt. Die Kühe haben sich daran gewöhnt, weichen dem am Boden von einem Seil gezogenen, kriechenden Gestänge geschickt aus.
 
Ob eine Betriebsgemeinschaft immer einer Meinung sei, fragte ich, denn der denkbaren Philosophien seien ja viele. Imponiert hat mir die Aussage von Martin Hächler, dass im Wesentlich eine Übereinstimmung herrsche: Auf jeden Fall „Bio“ und zweitens: Aus den Tieren wird nicht das Maximum herausgepresst. Die Milchleistung der Kühe beträgt im Schnitt 6400 kg pro Jahr, bei eher sinkender Tendenz. Die Kühe erhalten hofeigenes Grundfutter (etwas Weizenstroh muss noch zugekauft werden), aber kein Kraftfutter (wie Soja aus China). Und diese Art der Betriebsführung sei zudem lukrativer.
 
Am 03./04.08.2013 wurde mit 2 Tagen der offenen Tür die neue Biogasanlage eingeweiht, ein langes, dunkelgrün bemaltes Gebäude neben einem grossen Ballon für das Methan, der seine Grösse dem Gasanfall anpasst. Hier werden Gülle, Mist und Beigaben wie biologische Abfälle aus der Kaffee-, Gemüse- und Kräuterbonbon-Produktion in Energie umgewandelt, wobei aber die Mischung nicht beliebig sein darf, sondern exakt austariert sein muss. Überhaupt braucht es viel Erfahrung, um das Biokraftwerk in der verträumten Juralandschaft zu betreiben.
 
Im Fermenter und Nachgärer wandeln die Bakterien unter Ausschluss von Sauerstoff die Biomasse zu Biogas um. Der Gärprozess darf nie unterbrochen werden, ansonsten alles ausgeräumt und das bakterielle Innenleben währen Tagen neu aufgebaut werden müsste. Im Blockheizkraftwerk wird durch die Verbrennung von Biogas Ökostrom erzeugt, welcher ins Netz eingespeist wird. Der Gärprozess wird mit der gleichzeitig entstehenden Wärme versorgt, und mit dieser Wärme können auch die Wohn- und Stallgebäude beheizt werden. Zum Teil erfreuen sich die Kühe einer Bodenheizung.
 
Bei der Gasproduktion werden der Gülle, dem Mist und den Rüstabfällen das als Klimagift verschriene Methan entzogen und verbrannt. Die Restgülle bzw. der Separatormist ist bei gleichbleibendem Düngewert somit deutlich umweltfreundlicher. Die Biogasanlage ist auf eine Leistung von rund 100 kW ausgelegt und kostete rund 1.35 Mio. CHF. Bei einer täglichen Produktionsdauer von 20 Stunden können jährlich rechnerisch zwischen 750 000 und 800 000 Kilowattstunden Strom erzeugt werden. Das reicht für die Versorgung von ungefähr 150 Einfamilienhäusern.
 
Das Denken in Kreisläufen ist hier, wie man sah, wegweisend. Die Biogasanlage, abgestimmt auf den Biohof, ist verhältnismässig klein. Ob sie wirtschaftlich betrieben werden kann, das heisst, ob Aufwand und Ertrag in ein attraktives Verhältnis gebracht werden können, wird die Erfahrung lehren. Die Absicht, mit Einbezug des traditionellen Bauerntums mit Hilfe von heutiger Agrotechnik Vorbildhaftes zu leisten, ist offensichtlich. Das Augenmerk wurde von der Chemie zur Energie umgelenkt.
 
 
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