Textatelier
BLOG vom: 17.10.2013

Unterwegs in Bayern (4): Zugspitze, Absturz einer Chinesin

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
 
Auf Empfehlung des „Sonnbichl“-Wirts und eines Gasts fuhren wir nach Garmisch-Partenkirchen. Die Alpspitzbahn – eine moderne Kabinenbahn – brachte uns zum Osterfelderkopf auf 2050 m Höhe. Beim Hinauffahren sahen wir schon die beiden „AlpspiX“-Aussichtsplattformen, die gleichsam ins Nichts hineinragen. Von dort geht es 1000 m hinunter ins Höllental. Der gläserne Steg übers Tal am Gran Canyon in den USA diente wohl als Vorbild. AlpspiX wurde 2010 eröffnet. Die Betreiber hoffen auf einen reichen Geldsegen, während die Naturschützer eine völlig unnötige Verschandelung der Landschaft sehen. Das sehe ich differenzierter. Eine solche Plattform bringt für den Wanderer ungeahnt Ausblicke. Es gibt noch schlimmere Bauwerke in den Alpen.
 
Kaum oben angekommen, wanderten wir in 5 Minuten zu diesen Plattformen. Hier wurden wir mit einem traumhaften Ausblick auf Deutschlands höchsten Berg, die Zugspitze (2962 m ü. NN), die mächtigen Waxensteine, die riesige Alpspitz-Nordwand und auf Garmisch-Partenkirchen belohnt.
 
Beim Betrachten der Zugspitze kam mir der tödliche Unfall einer Chinesin in den Sinn, der sich einige Tage vorher ereignet hatte. Die 24-jährige Chinesin Xiaoyan C., die mit ihrem Freund unterwegs war, hatte fast den Gipfel der Zugspitze erreicht (200 m vor dem Ziel), als sie auf verschneitem Weg und bei Dunkelheit rund 500 m in den Abgrund stürzte. Die beiden Bergsteiger waren schlecht ausgerüstet und hatten sich vermutlich überschätzt (von Hammersbach bis auf den Gipfel sind es 2200 Höhenmeter, 8 bis 10 Stunden müssen einkalkuliert werden!). Berg- und Skiführer Dieter Stopper zu einem Reporter des „Münchner Merkurs“: „Wer unterwegs schon merkt, dass er sich übernommen hat oder den Zeitplan nicht einhalten kann und nicht vor Einbruch der Dunkelheit am Gipfel ankommt, sollte unbedingt rechtzeitig umkehren oder von unterwegs die Bergrettung alarmieren – um das eigene Leben zu schützen.“
 
Die Gedanken über dieses tragischen Ereignisses verschwanden bald darauf, als ich die Plattform verliess und mich an der zauberhaften Bergwelt erfreute.
 
Das Echo von Schüssen
Zunächst waren wir auf der Suche nach unserem Wanderweg. Von einem Einheimischen erfuhren wir, dass der felsige Weg unterhalb der Alpspitze schwierig sei und man durch einen Tunnel gehen und über Steine klettern müsste. Es gäbe aber auch einen bequemeren Weg zur Hochalm. Wir nahmen diesen, da wir kein Risiko eingehen wollten.
 
Der Weg war auch nicht ohne: Man musste aufpassen, um auf den geschotterten Wanderweg nicht auszurutschen. Ab und zu hörten wir das Echo von Schüssen, das von einer steilen Bergwand zu uns herüberdonnerte. Waren es Jäger? Wir waren uns nicht sicher. Bald darauf folgte die Aufklärung.
 
Unweit der Hochalm wurde der Aktionsfilm „Big Game“ mit Samuel L. Jackson gedreht. Der Weg führte vielleicht 200 m vom Geschehen vorbei. Überall standen Posten, die uns ermahnten, ruhig zu sein, wenn gedreht wird. In den Aufnahmepausen erfuhren wir Näheres von einem Posten. Jackson spielt im Film den US-Präsidenten, der über Finnland mit einer Rettungskapsel aus dem Präsidentenflieger „Air Force One“, der angegriffen wurde, in der Wildnis landet. Just zu dieser Zeit kommt ein 13-Jähriger, der einen Männlichkeits-Test in der Wildnis vollziehen muss, mit dem Präsidenten in Kontakt. „Damit liegt das Schicksal des mächtigsten Mannes der Welt in den Händen eines Teenagers.“
 
Wir begegneten am Drehort 3 riesigen Leuchten, die die Szenerie unterhalb einer steil abfallenden Felswand beleuchteten. An einigen Stellen sahen wir die vielen Utensilien und Fahrzeuge, die für solch einen Film notwendig sind. Kurz darauf wurde eine Salve geschossen (3 Schüsse hintereinander). Damit war auch die Ursache des Donnerhallens, das wir unterwegs vernahmen, geklärt.
 
Das Filmteam wird voraussichtlich 8 Wochen in und um Garmisch-Partenkirchen und in den Bavaria-Filmstudios in Grünwald bei München drehen. In den Studios wurde sogar die Air Force One nachgebaut. Ein Riesenaufwand! Aber, wenn ein Schauspieler als US-Präsident mitspielt, sind die Geldgeber für die Produktionskosten freigebig, und die Kassen werden in den US-Kinos klingeln.
 
In der Nähe des Drehorts am Weg sahen wir noch einen Verletzten liegen, der von Sanitätern und wahrscheinlich von einer anwesenden Ärztin behandelt wurde. Er war auf dem Schotterweg ausgerutscht und hatte sich einen Knochenbruch zugezogen. Der Bruch wurde geschient und der Patient mit einem kleinen Feuerwehrauto ins Tal gefahren.
 
Nach 1.5 Stunden erreichten die Hochalm heil und nahmen dort unser Mittagsmahl ein. Ich verputzte eine Leberknödelsuppe und trank Gletscherwasser (Wasser, das mit Holundersirup versüsst war).
 
Von der Hochalm aus marschierten wir innert 30 Minuten zur Kreuzeckbahn, die uns dann zu unserem Ausgangspunkt (Parkplatz vor der Alpspitzbahn) zurückbrachte.
 
In Oberammergau
Am Nachmittag desselben Tages fuhren wir nach Oberammergau. Hier konnte ich mit Lüftlmalerei verzierte Häuser erblicken. Diese heimische Kunstform der Fassadenmalerei ist in Oberbayern und Tirol zu sehen. Die Motive kommen aus dem Alltag und der Jagd. Es sind aber auch biblische Darstellungen und Spruchbänder mit Wahlsprüchen verbreitet.
 
Wir kamen auch am Geburtshaus von Ludwig Thoma vorbei. Auf einer Tafel war folgender Text zu lesen:
 
„In diesem Hause schenkte am 21. Januar 1867 die Schwaben Wirtstocher von Oberammergau Katharina Thoma, geborene Pfeiffer, als Ehefrau des Revierförsters Max Thoma, dem Bayerischen Heimatlande und dem Deutschen Volke den Dichter Ludwig Thoma.“
 
Oberammergau wurde durch die alle 10 Jahre stattfindenden Passionsspiele bekannt. In diesem Ort gibt es viele Kunsthandwerker („Herrgottsschnitzer“). In den Auslagen der Geschäfte sahen wir überdimensionale Heiligen- und Christusfiguren und noch viele andere christliche Skulpturen. Einige unserer Wanderfreunde sahen sich in einem Geschäft mit Trachtenkleidung um. Toni kaufte sich einen Hut, passend zu seinem Oktoberfest-Outfit (Trachtenjanker, besticktes Hemd). In dem erwähnten Geschäft wurde auch eine Badehose im Trachtenlook angeboten. Da kam ich aus dem Grinsen nicht mehr heraus. Diese Hose war zum Glück nicht aus Leder, sondern aus Stoff.
 
Süffiges und Steckerlfisch
Wer die bisherigen Wanderblogs gelesen hat, wird wohl denken, die Burschen hätten nur das Essen und Trinken im Sinn gehabt. Es schmeckte uns halt im gelobten Bayernland. Das Essen ist dort vorzüglich, und das Bier ist ungemein süffig. Nebenbei wanderten wir und lernten Land und Leute kennen.
 
Die Bayern beschäftigen sich laut Josef Imbach übrigens mit 4 Dingen in der folgenden Reihenfolge: Bier, Weisswürste, CSU und Landshuter Fürstenhochzeit. Das Bier gehört zum Alltag. Während der Fastenzeit wird ein kräftigeres Bier gebraut. Da werden die schwachen Fastenden wieder fit.
 
Am 4. Tag stand der „Heilige Berg“ mit dem Kloster Andechs auf dem Wanderplan. Wie ich lesen konnte, ist Johanna Sonnberger seit 1959 schon 50 Mal auf diesen Wallfahrtsort gepilgert. Für mich war es das 2. Mal. 1966 war ich mit Kameraden während meiner Bundeswehrzeit dort oben. Schon damals bevorzugten wir das Andechser Bier und hatten wenig Sinn für eine Wallfahrt. Heute haben die Küche in der Klosterschänke und das Bier („Andechser“) einen exzellenten Ruf. Der Berg mit dem Kloster war immer schon ein Magnet für Touristen und Einheimische.
 
Übrigens war Wilhelm Busch in jungen Jahren dort oben. Seine Eindrücke verarbeitete er in seiner „Frommen Helene“ (Kapitel „Die Wallfahrt“) wie folgt: 
Hoch von gnadenreicher Stelle
Wirkt die Schenke und Kapelle (…).
 
Freudig eilt man nur zur Schenke,
Freudig greift man zum Getränke,
Welches schon seit langer Zeit
In des Klosters Einsamkeit,
Erstbesonnen, stillvertraut,
Bruder Jakob öfters braut (…).“ 
Heute ist es mit der Einsamkeit vorbei. Auch wird nicht mehr still gebraut. Es gibt sogar Brauerei-Führungen mit Verkostungen. Die Tradition des Bierbrauens in Klöstern hat sich bis in unsere Tage erhalten. Das Bier war für die Brüder ein erlaubter und beliebter Fastentrunk.
 
Die Klosterbrauerei Andechs produziert etwa 100 000 Hektoliter Bier im Jahr und umfasst 7 Sorten. Das Bier ist jetzt auch in den USA erhältlich. Die Ankunft des Klosterbieres am 20.06.2013 in der Gaststätte „Zum Schneider“ im New Yorker Stadtteil Manhattan wurde entsprechend gefeiert.
 
„Ein Schlückchen Himmel auf Erden“ lautet der Werbeslogan für die 7 Schnäpse des Klosters.
 
Wir sahen während eines Rundganges das Häuschen mit den Destillationsgeräten und die ausgestellten Schnäpsen.
 
Nach dieser Einführung soll endlich über unsere Wanderung berichtet werden. Von Herrsching am Ammersee wanderten wir die 4,4 km in knapp 1,5 Stunden zum Kloster Andechs. Kaum oben angekommen, sahen wir uns in der im Rokokostil ausgestalteten Klosterkirche um. Die Kirche wurde von Johann Baptist Zimmermann erbaut. Andechs ist übrigens der älteste und, nach Altötting, der zweitgrösste Wallfahrtort Bayerns.
 
Danach schritten wir durch das riesige Bräustüberl und nahmen auf der Terrasse Platz. Dann stillten wir unseren Durst und den Hunger mit Bier und einer grossen Bretzel. Später konnte ich mich an einem Apfelstrudel mit Vanillesosse laben. 2 Wanderfreunde verzehrten an einem Fischstand Steckerlfisch. Eine Spezialität waren Lachsforellen mit 19 Kräuter-Gewürzen (1 Lachsforelle kostete etwa 18 Euro. Der Preis richtete sich nach Gewicht des Fischs).
 
Während wir speisten, fiel mein Blick auf den übernächsten Tisch. Dort sass ein fesches, junges Maderl mit tief ausgeschnittenen Dirndl (ein schöner Anblick! Da musste ich ein Foto machen!). Ihr gegenüber hatte wohl der Freund Platz genommen. Der Dritte im Bund war ein Hund, der dann Bier aus dem Masskrug des Freundes trinken durfte. „Prost“ kann man da nur sagen. Das Bier schmeckte offensichtlich auch dem Hund.
 
Fortsetzung folgt
 
Internet
 
Literatur
„Andechser Berg-Echo“, Druck: Agentur Beckenbauer, München, 2. Ausgabe 2013.
Imbach, Josef: „Der Weg zu Gott führt durch die Küche“, Albatros Verlag, Düsseldorf 2009.
 
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