Textatelier
BLOG vom: 11.02.2016

Hurra, Du bist volljährig!

Autor: Richard Gerd Bernardy, Dozent für Deutsch als Fremdsprache,
Viersen/Deutschland

 

Lieber Freund, heute bis Du 18 Jahre alt und damit volljährig geworden.
Vielleicht ist Dir noch nicht richtig bewusst, was das eigentlich bedeutet.
Du bist mit Erreichen dieses Alters „voll geschäftsfähig“, wie das so schön heisst. Du kannst jetzt also uneingeschränkt Geschäfte und Verträge abschliessen, etwa ein Auto kaufen, einen Kreditvertrag abschliessen oder eine Ehe eingehen.

Das klingt erst einmal gut, schliesslich hast Du Dich, wie die meisten Deiner Altersgenossen, danach gesehnt, unabhängig von den Eltern zu werden. Du bist noch in der Schule, also ganz so frei bist Du noch nicht. Finanziell bist du noch auf Deine Eltern angewiesen. Aber Du könntest selbstständig entscheiden, die Schule abzubrechen, rechtlich könnten Deine Eltern Dich nicht daran hindern.

Gleichzeitig mit der Volljährigkeit kommen aber auch enorme Lasten auf Dich zu. Du wirst Dich fragen, was damit gemeint ist. Ich meine die Verantwortung, die Du mit Erreichen dieses Alters zu schultern hast. Du bist auf einmal in jeder Hinsicht verantwortlich für Dich selbst und für Dein Leben.

Verantwortung hat etwas mit Entscheidungen zu tun. Ab jetzt triffst Du sie selbst. Alle Entscheidungen führen zu Konsequenzen, die daraus erwachsen. Hast Du Dich entschieden, Deinen Namen unter einen Vertrag zu setzen, folgt daraus etwas.

Deshalb ist die vermeintlich erreichte Freiheit eine problematische Freiheit. Leichtsinnig zu sein, kannst Du Dir nicht mehr erlauben, denn das kann sich im Extremfall bis an Dein Lebensende auswirken.

Entscheidungen sind immer mit Risiken verbunden, und ich spreche hier nicht von scheinbar unbedeutenden, wie die Wahl Deiner Kleidung oder Deiner Ernährung, schon die Entscheidung, sich einer bestimmten Gruppe von Menschen anzuschliessen, die Du vielleicht „Freunde“ nennst, kann ein enormes Risiko sein, wenn sich herausstellt, dass sie andere oder keine Lebensziele haben, Dich unter einen falsch verstandenen Zwang setzen oder Dich von Deinem Weg abbringen.

Drei Begriffe habe ich bisher genannt: Entscheidungen, Konsequenzen und Risiken. Sie sind manchmal mit Gefahren verbunden, denen man aus dem Weg gehen sollte. Das bedeutet also, immer und überall „auf der Hut zu sein“, mit klarem Verstand abzuwägen, was man tut. Das ist eine nicht zu unterschätzende Schwierigkeit. Manchmal ist es gar nicht unklug, sich bei Vertrauenspersonen vorher Rat oder eine Meinung einzuholen.

Wenn es irgendwie möglich ist, sollte man Situationen aus dem Weg gehen, die dazu führen, dass der klare Verstand getrübt oder gar ausgeschaltet wird. Das wird sich nicht immer einhalten lassen, dafür sind wir mit Emotionen ausgestattete Menschen, die Fehler machen können. Aber bevor es zu folgenschweren Ereignissen kommt, ist es immer richtig, „einen klaren Kopf“ zu bewahren.

Ausserdem beurteilst Du die Realität um Dich herum anders als Ältere. Auch wenn es Dir nicht so scheint, Erfahrungen zu machen ist ein wichtiger Entwicklungsprozess in Deinem Leben.

Das meiste, was Menschen tun, läuft auf ein Ziel heraus. Es gibt viele tagtäglich auftretende kleine Ziele und es gibt grosse Ziele, die das Leben verändern.

Dein wahrscheinlich wichtigstes Ziel wird es sein, Deinen Schulabschluss zu bekommen. Was Du damit dann machst, wird Dich beschäftigen. Es gibt Jugendliche oder junge Erwachsene, die wissen nicht, „wohin die Reise gehen wird“. Wenn Du einen gymnasialen Abschluss machst, wirst Du Dich zwischen einem Studium und einer anderen Ausbildung entscheiden müssen. Wenn nicht, wirst Du Dich für einen Berufsweg entscheiden müssen. Das eine wie das andere bedeutet das Eingehen von Risiken und Konsequenzen, aber auch neue Herausforderungen.

Viele Dinge im Leben erfordern es, Kompromisse einzugehen. Auch wenn man etwas nicht möchte, gibt es Situationen, die Dich dazu zwingen, das zu tun. Man kann diesen Situationen aus dem Weg gehen und versuchen, sie zu vermeiden, aber ganz wird auch Dir das nie gelingen.

Besonders wenn Du eine Beziehung eingehst, Dich also enger an eine bestimmte Person bindest, wirst Du nicht ohne Kompromisse leben können. Du wirst auf diese Person und ihre Wünsche und Vorstellungen eingehen, auch wenn Du diese zunächst nicht möchtest.

Das können schon die kleinsten Entscheidungen sein: Du willst den Abend so verbringen, Dein Partner nicht. Vielleicht einigt man sich dann durch einen gegenseitigen Kompromiss auf etwas ganz anderes.

Gravierender wird es dann bei den ganz grossen Entscheidungen, etwa bei einer Heirat, einem Wunschkind, einem Hauskauf und vieles mehr.

Ich liste Dir jetzt die Wörter auf, die Du in Bezug auf Dein Leben einmal bedenken und betrachten solltest:
Ziele, Entscheidungen, Konsequenzen, Risiken, Gefahren, Wünsche, Vertrauen, Emotionen, Verantwortung, Herausforderungen, Erfahrungen, Zwänge, Bindungen, Kompromisse.

Das ist also die viel ersehnte und gelobte Freiheit, der Du jetzt entgegen siehst! Aber: ich will Dich damit nicht entmutigen, denn das Leben hält eine Menge neuer Eindrücke und Überraschungen für Dich bereit! Man muss nur offen dafür sein!

 


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