Textatelier
BLOG vom: 14.04.2016

Isteiner Klotz: Festungsanlage, Refugium seltener Pflanzen

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D

Am 19.02.2015 wanderten wir bei viel Sonnenschein und einer Temperatur von 10 °C in der Umgebung des Isteiner Klotzes. Über die damaligen Erlebnisse berichtete ich in einem Blog vom 27.02.2015 („Isteiner Klotz, Avifauna, Kalkwerk, Schafberg und Chänzeli“).
Am 05.04.2016 war es wieder so weit. Unser Wanderführer Toni von Lörrach hatte eine etwas andere Tour ausgewählt. Leider wurden wir während der 2-stündigen Wanderung vom Klotz bis Huttingen und zurück von einigen Regenschauern überrascht. Aber das beeinträchtigte unsere Wissbegier und Wanderfreude keineswegs. Wandern kann ja jeder bei schönem Wetter. Wir wandern notfalls auch bei Wind und Regen.

Da ich schon einmal eine ähnliche Wanderung beschrieben habe, werde ich diesmal nur die Besonderheiten vorstellen.

 


Isteiner Klotz (Foto: Heinz Scholz)
 

Mächtiger Korallenstock
Der markante mächtige Isteiner Klotz zwischen den Dörfern Istein und Kleinkems (Landkreis Lörrach) erhebt sich etwa 150 m über die Rheinauen. Am westlichen Ende bildet der Rücken ein steiles Kliff aus jurassischen Kalkablagerungen (Korallenstock).
Der Klotz wurde während des Eisenbahnbaus von 1844 bis 1848 untertunnelt. Vor der Tullaschen Rheinkorrektur von 1840 bis 1876 war der Felssporn von Rheinwasser umspült. Auf einem Gemälde um 1800  ist die damals herrliche Landschaft mit den Auen und dem Rhein, der bis zum Klotzen reicht, zu sehen.

Im August 2007 führte ich Walter Hess durch Istein und zum Klotzen (Blog vom 18.08.2007: „Hochwasser beim Wehr Kembs: Rhein-Management bei Flut“). Er schrieb damals u.a. die folgenden Zeilen:
„Doch noch immer ist der vorspringende Sporn, der ursprünglich unmittelbar am rechten Rheinufer war, eine imposante Erscheinung. Von unten sieht er tatsächlich wie der Bug eines Schiffs (oder vielleicht das Heck eines alten grossen Segelschiffs) aus; er wurde und wird dementsprechend „Schiff“ genannt. Der Rhein hat ihn unten ausgewaschen, poliert. Der Fels ist überhängend. Der höchste Wasserstand ergab sich hier am 18. September 1852, wie an der Felswand abzulesen ist.“

Schreckliches Unglück
Beim Bau der Rheintalbahn wurde durch den Isteiner Klotz ein 400 m langer Eisenbahntunnel gebaut. Er wurde 1845 vollendet und war der 1. Eisenbahntunnel der Welt. Später wurde der Kirchberg- und der Hardbergtunnel eingeweiht. Zwischen Schlingen und Efringen-Kirchen müssen 23 Kurven und die erwähnten Tunnel bewältigt werden. Auf dem 25 km Abschnitt beträgt die Geschwindigkeit 75 km/h. Am 21. Juli 1971 passierte hier ein schreckliches Unglück. Der Zugführer fuhr viel zu schnell, der Zug entgleiste bei Rheinweiler. 25 Menschen kamen ums Leben.
Im Dezember 2012 wurde der zweigleisige 9,4 km lange Katzenbergtunnel in Betrieb genommen. Nun können die ICE´s und nachts der Güterverkehr durch den Tunnel rauschen. Die Regionalzüge und tagsüber die Güterzüge befahren weiterhin die alte kurvenreiche Strecke.

Die mächtige Festungsanlage
Um 1100/1200 wurden auf dem Isteiner Klotzen eine Doppelburg und die St.-Veits-Kapelle durch die Bischöfe von Basel errichtet. Basler Bürger zerstörten die Burganlage in der Zeit von 1409–1411. Sie waren unzufrieden mit ihrem Bischof und wollten ihn nicht mehr als Herrn der Stadt haben. Die Kapelle wurde während des Zweiten Weltkriegs zerstört, aber wieder aufgebaut und zur 850-Jahr-Feier des Dorfs (1989) eingeweiht. Der Klotz wurde übrigens auch durch die Novelle „Hugideo“ von Victor von Scheffel bekannt.

Während der beiden Weltkriege wurde der Klotz als Festung ausgebaut. Um Istein herum gab es 113 Militärbunker. Die Wand- und Deckenstärken betrugen bis zu 3,5 Meter. Sie galten laut Wikipedia als die stärksten befestigten Anlagen des gesamten Westwalles am Oberrhein. Die Hauptanlagen befanden sich im Felsen unterirdisch. Auf der Oberfläche des Klotzes wurde eine 105 Tonnen schwere Panzerkuppel für die Artilleriebeobachtung errichtet.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Befestigungsanlagen teilweise gesprengt, die erhebliche Zerstörungen brachten.
Wir sahen unterhalb des Klotzes auf Höhe des Friedhofs viele grosse Abbruchsteine liegen. Ein Kamerad meinte, da würde er nicht zu einer Beerdigung kommen. Die darüber befindliche Felswand hinterlässt nämlich keinen stabilen Eindruck.

 



Lerchensporn violett und weiss (Fotos: Heinz Scholz)
 

Refugium für seltene Pflanzen
Der Klotz ist auch ein Refugium für seltene Pflanzen. Dort oben gedeihen beispielsweise folgende Pflanzen: Türkenbund, Hummelragwurz, Knabenkräuter, Diptam, Schwertlilie, Pimpernuss, Bocksriemenzunge, Storchenschnabel, Aronstab, Hundsveilchen, Wohlriechendes Veilchen, Weisswurz,  Salomonssiegel , Nesselblättrige Glockenblume und der Feuerbusch. Der Feuerbusch stammt aus Russland und fand hier seinen wesentlichen Standort. Auf dem Klotzen ist es sehr trocken. Die Pflanzen meistern dies, indem sie bis zu 2 m lange Wurzeln in den Kalkfelsen treiben.
Diesmal sahen wir auf dem Klotzen viele Exemplare des Lerchensporns mit violetten und weissen Blüten. Man unterscheidet den Hohlen und den Gefingerten Lerchensporn. Beim Hohlen Lerchensporn ist die Knolle hohl und die Blätter sind ganzrandig. Beim Gefingerten Lerchensporn ist die Knolle nicht hohl, die Hochblätter sind fingerförmig. Die Pflanzen enthalten besonders in der Knolle giftige Alkaloide. Was wir sahen, war der Hohle bzw. Hohlknollige Lerchensporn (laut Infos auf einer Tafel).

Isteiner Weinbau
Noch etwas zum Isteiner Weinbau. Im Mittelalter schätzten die Basler Grundherren den Zehntwein aus dem von der Sonne begünstigten Isteiner Rebberg. Der Basler Kunsthistoriker Jacob Burckhardt (1818−1897) und begeisterter Spaziergänger durch das Markgräfler Land war von dem Wein in dieser Gegend sehr angetan. Über Istein bemerkte er: „Es ist eben doch mit seiner heissen Bucht unser kleines Italien.“

Auf der Infotafel „2004 Basler Staatswein“ auf dem Isteiner Kirchberg konnten wir über Jacob Burckhardt und über den Kurfürsten und Grossherzog Karl Friedrich von Baden (1728-1811) einige Infos lesen. Der Kurfürst brachte übrigens die Gutedel-Rebe 1780 aus Vevey ins Markgräfler Land. Freunde des Gutedels sind ihm ewig zu Dank verpflichtet.
Auf der Infotafel war noch dies zu lesen:
„Am 31. Januar 2005 verpflichtete sich die Bezirkskellerei Markgräflerland in Efringen-Kirchen, der Regierung des Kantons Basel-Stadt im Geist alter Verbundenheit von diesem Rebberg jedes Jahr 500 Flaschen als BASLER STAATSWEIN zu schenken.“

Es war wieder eine interessante Wanderung. Nur der Regen trübte unsere Sicht in die Ferne. Dafür konnten wir in der Nähe Besonderheiten entdecken und so manche Pflanze im gedämpften Licht sehr gut abbilden.

Infos
http://www.frsw.de/istein.htm
http://de.wikipedia.org/wiki/Iteiner_Klotz
www.badische-zeitung.de/wandern

Literatur
Aichele, Dietmar: „Was blüht denn da?“, Verlag Franckh-Kosmos, Stuttgart 1991.
Gürth, Peter: „Seit 14 000 Jahren siedeln hier Menschen“ (Durch die Rebfluren und über die Wiesen rund um den Isteiner Klotz), www.badische-zeitung.de/wandern
Philipp,Dorothee; Grosspietsch, Jost; Herbener, Arno; Rübsamen, Rolf: „Kunst, Thermen, Wein“ (Entdeckungsreise durch das Markgräflerland), Kunstverlag Josef Fink, Lindenberg (Allgäu) 2009.

Hinweis auf weitere Wanderblogs von Heinz Scholz
13.12.2015: Zum Baumwunder: Von Gütenbach zum Balzer Herrgott
01.12.2015: Lebküchleweg: Pilgerbrot, Himmelsliegen, Wasserfälle
22.09.2015: Im Markgräflerland: Weidbuchen, Betteleiche, Naschkatzen 
20.06.2015: Im Elsass: Petite Camargue und Hartmannsweilerkopf
14.05.2015: Am 7-Moore-Weg: Wasserfall, Gletschermühle und Groppe
01.05.2015: Zur Hohen Möhr: Alte Grenzsteine, Sandwürfe und Fernsicht
24.03.2015: Bei Endenburg D: Das Fallholz forderte unsere Gelenkigkeit
27.02.2015: Isteiner Klotz, Avifauna, Kalkwerk, Schafberg und Chänzeli 
19.12.2014: Ottonische Kirche, Gerichtseiche und Wildschweinexpress
14.11.2014: Bei Guebwiller F: Romanische Kunst, Hexenkapelle, Ziegen
07.11.2014: Alpiner Pfad: Abenteuerlich, beschwerlich und faszinierend
29.10.2014: Wallgraben Haideck: Kulturdenkmal im Oberen Wiesental
03.10.2014: In der Ravennaschlucht: Über Brücken, Leitern und Stege
07.08.2014: Odilienberg, Kloster, Heidenmauer, Druidengrotten
24.07.2014: Hüttenbücher: Lieber in die Ferne sehen als Fernsehen
21.05.2014: Kaiserstuhl: Eichelspitze, Lothar-Schneise, Blutströpfchen
11.05.2014: Lommiswil/Oberdorf SO/CH: Zu den Spuren der Dinosaurier
06.05.2014: „Lichtung der Ruhe“, ein Waldwegli und Schloss Bürgeln
05.04.2014: Seltsame Löss-Löcher, Wildbienen und ein Wertholzplatz
17.03.2014: Todtnauberg: Im Schnee auf der Feldberg-Sonnenseite
22.01.2014: St. Chrischona BL: Sendeturm, Zierkohl und Zaubernuss
18.12.2013: Rund um Grellingen: Wappenfels, Karstlehrpfad und Höhlen
23.03.2013: Panoramaweg: Alemannen, Naturdenkmal und ein Klebstein
01.03.2013: Staufen D: Wachsende Risse und eine imposante Burgruine
08.01.2013: Wander-Erfahrungen: Was betagte Füsse leisten können
17.10.2012: Wanderung mit Überraschungen: Pilzeldorado, Hexenringe
04.08.2012: Feldberg-Botanik: Bärwurz, Blutwurz und Alpen-Milchlattich
12.05.2012: Vogesen-Wanderung: Hochweiden, Vogelsteine und Thann
07.04.2012: Im Elsass: Von Ferrette zu Burgruinen und zur Zwergenhöhle
24.02.2012: Überraschung beim Wandern: Eine Bisamratte tauchte auf
27.01.2012: Das Naturphänomen Eichener See ist wieder aufgetaucht
19.11.2011: Rundwanderung: Kultur, Weinbau, alter Kalkofen ab Kreiterhof
09.10.2011: Vogesen-Wanderung: Holzbrücken, Eisentritte, Felsblöcke
28.08.2011: Dinkelberg: Frisch gezapftes Bier und wandelnde Röslein
20.08.2011: Bürgenstock: Traumhafter Felsweg, schnellster Lift Europas
05.05.2011: Im Eggenertal: Steinenkreuzle, Betteleiche und Dichterwegli
15.03.2011: Wanderung bei Rünenberg BL: Holzdiebe, Holunderparadies
29.10.2010: Unterwegs im Sundgau: Storchengeklapper und alte Eiche
16.09.2010: St. Chrischona: Rundblick auf schwankendem Sendeturm
31.08.2010: Wolfsschlucht Thal: Steilwände, Höhlen, augenlose Spinne
23.08.2010: Wander-Überraschungen: Riesenpilz und Plumpsklo im Wald
17.08.2010: Wutachschlucht: Gewaltige Urlandschaft mit Felsgalerien
05.08.2010: Statt der Wanderung nach Heitersheim ging's zur Weinprobe
29.07.2010: Bergwelt Schauinsland: Pfad der Sinne und ein Waldgeist
26.05.2010: Sagenhafte Reise von Landskron (F) nach Mariastein (CH)
02.05.2010: Münstertal D (I): Männlicher Fluss, Mundloch, Kohlenmeiler
01.09.2009: Rund um Gersbach D: Barockschanze und eine Kräuterwirtin
30.08.2009: Wandern im Schwarzwald (IV): Wasserpieper und Gewölle
30.07.2009: Wandern im Schwarzwald (III): Lampenschweine und Moore
22.07.2009: Wandern im Schwarzwald (II): Arnika-Blüten, millionenfach
21.07.2009: Wandern im Schwarzwald (I): Rehgämse, Gebirgsschrecke
08.05.2009: Burg Sausenburg: Wo der Wind durch die Gemäuer saust…
02.05.2009: Schreckenstat auf Neuenfels: Rittergeschlecht ausgelöscht
21.03.2009: Der Feldberg im März: Schneewanderung mit Hindernissen
07.03.2009: Schloss Beuggen: 189 Vaterunser und ein Wackel-Opferstock
09.01.2009: Wandergeschichten (II): Im Adamskostüm in die Wirtschaft
08.01.2009: Wandergeschichten (I): Heisse Blicke und eine kalte Dusche
15.11.2008: Wanderung zum Hotzenwald: Alter Zwilling und Gänsekeulen
07.07.2008: Feldberg-Wanderung: Bannwald und grandioses Panorama
05.07.2008: Eichsel auf dem Dinkelberg D: Suche nach den 3 Jungfrauen
03.04.2008: Grenzsteine: Ein Fuss in Deutschland, einer in der Schweiz
20.03.2008: Bärlauch frisch vom Wald in die frühlingshafte Haute Cuisine
25.12.2007: Weihnachtswanderung: Fit bleiben auch bei Minusgraden
24.06.2007: Kleine Camargue im Elsass: „Entengrütze“ und seltene Tiere
13.09.2007: Tessin-Impressionen (III): Mondänes Ascona und Locarno
08.09.2007: Tessin-Impressionen (II): Wilde Schönheit des Verzascatals
06.09.2007: Tessin-Impressionen (I): Das Paradies mit Dusche im Freien
16.12.2006: Wanderung anderer Art: Gletscher, Philosophen, Denkmal
12.11.2006: Nostalgisches am Weg: Kartoffeldämpfer, Dampflokomotiven
06.08.2006: Natur im Feldberg-Gebiet: Dreizehenspecht liebt Borkenkäfer
22.07.2006: Bei der Heidenmauer auf dem heiligen Berg des Elsasses
17.06.2006: Wanderung zur Sissacher Flue: Luftkampf ums Revier
07.05.2006: Der Dinkelberg: Höhlen, Dolinen und ein seltsamer See
18.04.2006: Zaghaftes Blühen: Die Suche nach dem verlorenen Frühling
23.03.2006: Mit Mark Twain und Hemingway im Schwarzwald wandern
19.10.2005: Runde Hochfirstwanderung: Hexenringe und Schwabenteller
29.09.2005: Bürgenstock: Bekam hier James Bond das grosse Zittern?
23.08.2005: Am Belchen-Fuss: Parasolpilze und Grosse Schirmlinge
19.08.2005: Böllen: Dorf der starken Männer, die am gleichen Tau ziehen
01.08.2005: Unwetter-Spuren: Todtmoos-Wanderung mit Hindernissen
05.07.2005: Angriff auf Wanderer: Wer sind die gestörten Rindviecher?
01.06.2005: Bözberg West: Das GPS wies den Weg zur Linner Linde
09.05.2005: Erdmannshöhle: Tropfsteine für Basler und Soldaten
 

 


*
*    *

Hinweis auf weitere Blogs von Scholz Heinz
Auf Pilzpirsch: Essbare von giftigen Pilzen erkennen
Ein bärenstarkes Museum in Gersbach
Barfuss über die Alpen
Foto-Blog: Auf geht`s zur Hohen Möhr
Foto-Blog: Vom Kleinen Rhein zum Altrhein
Fotoblog über den Schönauer Philosophenweg
Rote Bete (Rande), eines der gesündesten Gemüse
Hermann-Löns-Grab im Wacholderhain
Lüneburger Heide: Salzsau und Heidschnucken
Kutschenmuseum in Wiechs ist ein Schmuckstück
Canna verleihen einen Hauch karibisches Flair
Artenreiche Streuobstwiesen stark gefährdet
Liebe zu den Kräutern in die Wiege gelegt
Eine Hütte mit Fleischsuppe im Namen
Rätsel um die Russenbänke in Präg gelöst