Textatelier
BLOG vom: 09.08.2018

Wenn der bockige Bock einen Bock schiesst

Autor: Richard Gerd Bernardy, Dozent für Deutsch als Fremdsprache, Viersen/D

 

Es war über 30 Grad im Schatten. Wir bummelten durch eine Strasse in Düsseldorf. Mindestens 3-mal hörte ich von sich unterhaltendenden jungen Leuten die Aussage:

Da hab’ ich keinen Bock drauf!

Ich lese einen Kommentar von Uwe Kolbe in der Zeitung Neues Deutschland vom 4./5. August 2018, der den Titel Sündenbockig trägt:

Als der CSU-Chef zum Bundesinnenminister wurde, meinte mancher Kritiker besorgt, nun werde der Bock zum Gärtner gemacht. Seehofer weiss, dass nach der Wahl in Bayern wieder ein Bock gebraucht wird - ein Sündenbock.

Keinen Bock auf etwas haben, wird vielen Nichtmuttersprachlern unverständlich erscheinen. Aber diese Aussage hat sich im Sinne von keine Lust auf etwas haben im deutschen Sprachgebrauch fest etabliert. Diese Bedeutung ist nicht besonders alt, ein Wörterbuch von 1936 kennt sie noch nicht, der berühmte „Wasserzieher“, Autor des Buches Woher - Ableitendes Wörterbuch der deutschen Sprache von 1974 übrigens auch nicht. Erst in den 1980-er Jahren kam die Redewendung bei Jugendlichen auf,  damals hiess es lapidar Null-Bock zu haben, also am liebsten nichts zu tun, sei ein erstrebenswertes Ziel und schnell wurde daraus eine Null-Bock-Generation gemacht.

Zuerst einmal ist ein Bock ein männliches Tier besonders von Arten, die ein Geweih oder Hörner tragen: Rehbock, Schafbock, Ziegenbock, Gamsbock und anderen, aber auch beim Kaninchen, Bockkäfer (Hausbock). - Im weitesten Sinne wird übrigens auch der Teufel mit einbezogen!

Was für Eigenschaften hat nun so ein tierischer Bock? Wenn es warm ist, geht er frühmorgens oder am späten Nachmittag auf Nahrungssuche. Ein sturer Bock ist eben schwer zu etwas zu bewegen!
Zur Paarungszeit versuchen die Böcke, teilweise durch heftige Kämpfe, untereinander das Paarungsrecht zu erlangen. Da wird der Bock dann zum geilen Bock!

Einen Bock zu schiessen, also einen Fehler zu machen, hat den Ursprung bei den Schützen. Sie schenkten demjenigen, der ausschliesslich daneben geschossen hatte, einen Bock. Ihm wäre wahrscheinlich eine Bockwurst mit Bockbier lieber gewesen, übrigens Genussmittel, die es bereits ab 1827 gab, ein beliebtes altmünchnerisches Frühstück, besonders zur Bockbierzeit. Aber mit dem Geschenk wollte man den armen Schützen ins Bockshorn jagen, ihn also einschüchtern und verängstigen. Vielleicht war er schon seit Kindheitstagen bockig, sprich: eigensinnig und trotzig und ihm machte das nicht viel aus.
Bei bestimmten Sportarten, zum Beispiel dem Bockspringen, hat es schon Sinn, bockbeinig zu sein, sonst konnte so ein Sprung sehr schmerzhaft werden. Nach einer anderen Auslegung war übrigens das Bockshorn das Gestell, in dem man Böcke kastrierte!

Für eigensinnige Kinder gab es in der Schule ein Bocksställchen!

Den Bock zum Gärtner machen heisst, man soll nicht den Ungeeignetsten mit einer bestimmten Aufgabe betreuen, denn der Ziegenbock zertrampelt die Felder und frisst die Pflanzen ab, im Gegensatz zum Gärtner, den nicht der Bock gestossen hat., also der eben nicht übermütig und tollkühn redet und handelt. Damit kann man dann gleich den Sündenbock ausmachen, dem man alle Schuld zuweist.

Ich hoffe, ich habe mit meiner kleinen Abhandlung nicht nur Bockmist (Bock = Fehler, Mist = Unsinn) geschrieben!

Quellen
Plate, Rudolf, Deutsche Wortkunde auf sprach- und kulturgeschichtlicher Grundlage, München 1936!
Wasserzieher, Dr. Ernst, Woher?, Bonn, 1974
Krüger-Lorenzen, Kurt, Deutsche Redensarten - und was dahinter steckt, Wiesbaden, VMA Verlag, 1960 

 


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