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BLOG vom: 15.07.2020

Hirschkäfer: Grösster Käfer Europas im Flug erlebt

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim

 


Hirschkäfer-Männchen in Schockstarre (Foto Heinz Scholz)
 

Der Hirschkäfer ist eine imposante Erscheinung mit einem prächtigen Geweih. Er ist stark gefährdet.
Leider bekommt man den bis 9 cm großen Hirschkäfer kaum noch zu Gesicht. Die größte Käferart Europas ist in manchen Gegenden selten geworden. Der Hirschkäfer steht auf der Roten Liste in der Kategorie 2 „stark gefährdet.“ Zum Glück gibt es jetzt von Naturschutzverbänden Maßnahmen, um den bedrohten Käfer zu schützen.

 


Hirschkäfer-Weibchen (Foto Christian Wirth)
 

In den letzten Jahren bekam ich trotz intensiver Suche keinen Hirschkäfer vor die Kameralinse. Dann kam endlich eine gute Nachricht. Christian Wirth, ehemaliger Gymnasiallehrer in Schönau und Schopfheim, ist ein Käfer- und Schmetterlingsfreund und kann mit vielen Erlebnissen mit dem Hirschkäfer aufwarten. Kürzlich rief er mich an einem Abend kurz nach 21 Uhr an. Ich solle doch in seinen Garten kommen, um Hirschkäfer im Flug zu beobachten. Nach Erreichen seines Gartens sah ich schon die ersten Käfer um einen Haselstrauch herumfliegen. Ein Käfer schwirrte mit Gebrumm auf mich zu. Ich hätte ihn mit der Hand fangen können. Aber er wich geschickt aus. Ein Käfer sauste an eine Hecke, fiel auf die Straße und blieb auf dem Rücken liegen. Herr Wirth hob ihn auf und setzte ihn auf ein Holzbrett. Der männliche Käfer war völlig bewegungslos, das Geweih war nach oben gerichtet. „Das ist eine Schockstarre“, sagte Christian Wirth. Nach kurzer Zeit flog der Käfer davon.

Christian Wirth hat einmal einen verletzten Hirschkäfer 4 Wochen gepflegt und ihn mit Zuckerwasser, Himbeersaft und Honiglösung versorgt. Auf dem Maienberg bei Hausen entdeckte er einen Hirschkäfertorso ohne Hinterleib. Er nahm ihn in die Hand und war überrascht, dass er noch zwickte. „Wenn das Schlundganglion, das sind Nervenknoten im Kopfbereich intakt ist, kann das Tier noch seine Zangen bewegen“, wusste Herr Wirth zu berichten.

Auch Walter Hess hatte ein Erlebnis mit einem Hirschkäfer. Der Käfer tauchte eines Tages an seiner Schlafzimmertür auf. Über dieses Erlebnis berichtete ich bereits in meinem Blog über Käferkuriositäten.
Laut Dr. Kurt Floericke, Autor des Buches „Käfervolk“, gab es früher Massenansammlungen von Hirschkäfern. Er erinnerte sich an eine sorglose Kinderzeit. Ein Hirschkäfer wurde vor ein aus einer Streichholzschachtel angefertigtes Wägelchen gespannt. Der Bursche war dann über die erstaunliche Muskelkraft des Käfers überrascht und erfreut.

 


Zwerghirschkäfer (Foto Elisabeth Faber)
 

Geweih wichtig für Paarungskämpfe
Die Hirschkäfer fliegen oft in der Dämmerung mit Gebrumm herum. Die Männchen haben extrem vergrößerte, geweihförmige Greifzangen (Oberkiefer). Die Oberkiefer dienen nicht zum Beißen, sondern sind wichtig für Paarungskämpfe zweier Männchen um ein Weibchen.

Dr. Kurt Floericke beschrieb in seinem Buch eindrucksvoll den Kampf der Hirschkäfer: „Wie erboste Hirsche stürmen sie aufeinander los, richten sich etwas auf und verheddern die Geweihe untereinander bis zum richtigen Verkämpfen oder schieben sie über den Rücken des Gegners und suchen mit den kräftigen Kiefern diesem einen Biss  zwischen die Fugen seines Panzers zu versetzen.“

Die Geweihe sind jedoch eine harmlose Waffe, die Verletzungen sind nicht gravierend. Der Unterlegene wird vom Ast gestoßen. Die Weibchen werden zwischen 3 und 5 cm groß, sie haben kurze Oberkiefer. Die Hirschkäfer sind ausgesprochene Schleckermäuler. Sie saugen mit ihren pinselartigen unteren Mundteilen den süßen Lebenssaft, der aus einer Verletzung des Baumes herausquillt, auf. 

Weibchen legen 50 bis 100 Eier
Die Weibchen suchen Baumstümpfe alter Eichen oder andere Bäume auf und legen nach der Begattung in 30 bis 50 cm Tiefe 50 bis 100 Eier an morsche Wurzelstöcke ab. Nach 14 Tagen schlüpfen die Larven. Die Larven ernähren sich von morschem, feuchtem und verpilztem Holz. Erst im 5. bis 7.  Jahr ihres Lebens sind sie reif für die Verpuppung.  „Die männliche Puppe (Kokon) ist größer als die weibliche und lässt deutlich die künftige Geweihanlage erkennen“, bemerkte Christan Wirth.

Ein Zwerghirschkäfer
Es gibt auch einen Zwerghirschkäfer mit der Bezeichnung Balkenschröter.  Einen solchen hat unser Käferfreund und auch die Hobbyfotografin Elisabeth Faber von Freiburg entdeckt und fotografiert. Er ist mattschwarz mit vergrösserten Kiefern. Die Männchen haben einen auffallend breiten Kopf. Die Weibchen sind mit einem schmäleren Kopf und weniger großen Kiefern ausgestattet. Die Larven entwickeln sich meist in abgestorbenem Buchenholz.

 

Literatur
Bellmann, Heiko: „Welches Insekt ist das?“, Franckh-Kosmos Verlags-GmbH, Stuttgart 2017.
Floericke, Kurt: „Käfervolk“, Kosmos-Bändchen, Franckh`sche Verlagshandlung, Stuttgart 1924.

 


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