Essbare und schmackhafte Wildpflanzen
Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim

  
„Geschmack, Geruch und Beschaffenheit der Wildpflanzen sind so facettenreich, dass sich unseren Sinnen ein wahres Feuerwerk an den verschiedenen Genüssen bietet“, schreibt euphorisch der Ethnobotaniker François Couplan in seinem Wildkräuterbuch.
Als die importierten Gemüsearten aus südlichen und fernen Ländern noch Mangelware waren, wussten sich unsere Vorfahren helfen. Sie verzehrten saisonales Gemüse aus dem eigenen Garten oder sammelten Wildkräuter und Wildgemüse, die sie reichlich an Gartenzäunen, an Bachläufen, auf Schuttplätzen, an Wegrändern, Hecken, auf Wiesen und Äckern fanden. Auch in Kriegs- und Hungerzeiten waren diese wildwachsenden Pflänzchen bedeutungsvoll, lieferten sie doch viele für unser Fortbestehen notwendige Stoffe.
Heute ist Wildgemüse wieder aktuell, weil das Bedürfnis nach schmackhafter Kost riesengross ist. Auch renommierte Köche verwenden immer mehr Wildpflanzen in der Küche.
Was ist besser?
Wenn wir die Palette an Inhaltsstoffen der  Wildgemüse mit Kulturgemüse vergleichen, stellen wir fest, dass diese in den  wildwachsenden Pflanzen ungleich grösser sind. Gemüse aus der freien Natur sind  mit weniger Wasser behaftet, enthalten die 2- bis 4-fache Menge an Kalium,  Phosphor, Magnesium, Kalzium und Eisen. Vitamin C ist in den „Wilden“ bis 3mal  reicher vorhanden als im Kulturgemüse. 
  Die Inhaltsstoffe vermitteln uns intensivere  Geruchs- und Geschmackserlebnisse. Man darf sich durch den herben, eigenartig  gewürzten Geschmack vieler Wildkräuter nicht beeinflussen lassen. Man gewöhnt  sich bald an die grüne Kost.
Wildkräuter und Wildgemüse sind vielfach auch  Heilpflanzen. Sie helfen bei Krämpfen, Nieren- und Blasenleiden, Appetitmangel,  Verstopfung, Durchfall, Kreislaufstörungen, Husten, Entzündungen. 
Pflanzenführung in heimischer Natur
Am 11. April 2021 wurde eine Wildpflanzenführung  durch Anita Turek durchgeführt. Die Ankündigung machte Pflanzenfreunde  neugierig. Die Expertin schrieb: „Die essbaren Wildpflanzen sind ein Schlüssel  für mehr Energie, gute Gesundheit, Vitalität, Wohlbefinden, Leichtigkeit,  geistige Klarheit und so viel mehr.“  Auch wies sie darauf hin, dass die Wirkstoffe  in den Wildpflanzen besonders in Corona-Zeiten unser Immunsystem natürlich und  effektiv stärken.
Die Führung wurde im „Hertener Loch“ bei Rheinfelden-Herten durchgeführt. Solche Führungen bringen immer etwas Neues, man kann sein Wissen auffrischen.
Vor der Führung erhielten die Teilnehmer 3 Blätter mit Kurzinfos von 200 essbaren Wildpflanzen, die in dem hervorragend ausgestatteten Buch von Fleischhauer u.a. beschrieben sind. Zu jeder Wildpflanze waren die Wirkungen aufgeführt. Die aufgefundenen Pflanzen markierten wir auf den Blättern.

  
Welche Wildpflanzen haben wir entdeckt? Es waren die folgenden: Breitwegerich, Brennnessel, Brombeere, Ehrenpreis, Fingerkraut, Gänseblümchen, Giersch, Gundermann (Gundelrebe), Knoblauchrauke, Löwenzahn, Raue Gänsedistel, Scharbockskraut, Ackersenf, Wiesenschaumkraut, Veilchen.
„Wir wussten gar nicht, wie viele Wildpflanzen man essen kann“, erklärte ein Vater, der mit seinem Sohn die Exkursion mitmachte. So mancher Teilnehmer kannte die Knoblauchsrauke (Lauchhederich) nicht. „Zerreibt mal die Blätter, und ihr werdet den Geruch von Knoblauch feststellen“, erklärte die Pflanzenkennerin. Die Pflanze enthält Senföle, die auch im Knoblauch vorkommen. Den gewöhnlichen Giersch (Geissfuss) kannten nicht alle.
Die Teilnehmer waren überrascht, dass es oft unter den Beständen neben essbaren Kräutern, auch giftige gibt.
Sammeln will gelernt sein
Einwandfreies Erkennen der Pflanze. Es besteht immer die Gefahr einer Verwechslung mit ungeniessbaren und giftigen  Pflanzen. Bei unserer Sammlung von Wildpflanzen zeigte uns Frau Turek die  giftigen Blätter des Aronstabs, die Hundspetersilie, Hahnenfussgewächse und  verwies auf den giftigen Wasserschierling. Auch beim Bärlauchsammeln muss man  aufpassen. Da gibt es immer wieder Verwechslungen mit Maiglöckchen und den  Blättern der Herbstzeitlose. Vor einigen Tagen starb ein 48-Jähriger Münchner,  der sich eine Sosse aus selbstgesammelten, vermeintlichen Bärlauchblättern  zubereitete. Die Sosse enthielt jedoch Herbstzeitlosenblätter.
Sammelzeit beachten: Triebe, Blüten in den Vormittagsstunden nach Abtrocknung des Morgentaus sammeln.
Einwandfreier Sammelstandort: Hundespazierweg meiden, frei von Spritzungen und Gülle, nicht an stark befahrenen Strassen sammeln.
Sammelgut locker in Körbe einlegen.
Nicht an einem Standort alles abreissen, immer genügend Pflanzen stehen lassen. Nur soviel sammeln, wie benötigt wird. Die gesammelten Pflanzen zu Hause waschen.
Keine Pflanzen sammeln, die vom Aussterben bedroht sind.
Möglichst junge Pflanzen aussuchen (ältere schmecken oft bitter).
Gesunde Pflanzen ernten (Blätter mit Pilzbefall und solche mit Flecken nicht sammeln).
Anmerkung: Schmackhafte Rezepte von Carine Buhmann folgen in einem gesonderten Blog.
Literatur
  Couplan, Francois: „Wildpflanzen für die Küche“,  AT Verlag, Aarau 1997.
  Fleischhauer, Steffen Guido; Guthmann, Jürgen;  Spiegelberger, Roland: „Essbare Wildpflanzen“ (200 Arten bestimmen und  verwenden), atVerlag, Aarau, Baden und München, 23. Auflage 2020. 
  Jetzt gibt es auch eine App (Bestimmung der 200 wichtigsten  essbaren Wildpflanzen Mitteleuropas bestimmen – Alle Pflanzenportraits mit  Angaben zur Erntezeit und Verwendung in der Küche – Wertvolle Infos über  Inhaltsstoffe und Heilwirkungen).
Scholz, Heinz: „Schmackhaftes Wildgemüse“,  „Natürlich“, Nr. 03/1998. Im selben Heft „Naturküche pur – mit lauter  Wilden“, Rezepte von Carine Buhmann.
 
       
                 
                 
                 
                 
                 
                 
                 
                 
                 
                 
                 
                 
                 
                 
                 
                
